NGO-Studie zeigt: Deutschland Einfallstor für ungeregeltes Lobbying bei der EU
Die Nichtregierungsorganisationen LobbyControl und Corporate Europe Observatory zeigen in einer heute veröffentlichten Studie, wie sehr deutsche Regierungsvertreter in Brüssel die Interessen von großen Konzernen vertreten. Die zahlreichen Fallbeispiele enthalten unter anderem:
– Entgegen aller Klimaziele lehnt Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Änderung der CO2-Grenzwerte für Neuwagen bis 2030 im Rahmen des Grünen Deals ab. Im Januar schrieb er einen Brief an die Kommission, ganz im Interesse der deutschen Autobauer.
– Um bisher fast unbesteuerte Digitalkonzerne wie Google, Facebook, Amazon ebenfalls fair zu besteuern, schlägt die EU-Kommission eine europäische Digitalsteuer vor. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ließ sie in Brüssel blockieren mit Verweis auf Verhandlungen des Industrieländerclubs OECD und wohl auf Bitten des Lobbyverbands BDI, der Nachteile für das Export-lastige Wirtschaftsmodell fürchtet.
Die deutsche Ratspräsidentschaft übernimmt ab 1. Juli auch die Verhandlungen um die Stärkung des EU-Lobbyregisters. Am 16. Juni hatten sich die Vertreter*innen von Europaparlament, EU-Kommission und Rat zum ersten Mal getroffen. Eines der wichtigsten Ziele dieser Verhandlungen ist, dass das bereits seit Jahren von Europaparlament und EU-Kommission organisierte freiwillige Lobbyregister auch für den Rat der Mitgliedstaaten angewandt wird.
Diese und weitere Forderungen für mehr Transparenz hatten Daniel Freund und über 100 weitere Europaabgeordnete am 12. Juni in einem Brief an Kanzlerin Merkel geschrieben:
Daniel Freund, Verhandlungsführer der Grünen/EFA-Fraktion für die Stärkung des EU-Transparenzregisters, kommentiert:
“Die Studie zeigt: Sobald Deutschland endlich ein Lobbyregister bekommt, muss es auch für die Ständige Vertretung und alle deutschen Vertreter im Rat der Mitgliedstaaten gelten. Die sonst starken Brüsseler Lobbyregeln haben ihre größte Lücke bei den Regierungen der Mitgliedstaaten, für die nur nationale und damit im Zweifel gar keine Regeln gelten. Nicht umsonst ist die deutsche Regierung ein zentraler Anlaufpunkt für Unternehmen, wenn es um die Durchsetzung politischer Interessen auf Europäischer Ebene geht. Der Fall Amthor zeigt deutlich: Wir brauchen mehr Transparenz in der deutschen Politik – in Berlin und in Brüssel.”
"Die sonst starken Brüsseler Lobbyregeln haben ihre größte Lücke bei den Regierungen der Mitgliedstaaten, für die nur nationale und damit im Zweifel gar keine Regeln gelten."
Bisher veröffentlichen nur wenige Vertreter*innen von EU-Regierungen in Brüssel ihre Lobbytreffen, darunter seit kurzem der deutsche Ständige Vertreter und seine Stellvertreterin. Die niederländische und rumänische EU-Vertretung veröffentlichte auf Anfrage die Lobbytreffen ihrer Mitarbeiter*innen.
Lobbytreffen der niederländischen und rumänischen EU-Vertretung