Daniel Freund

23. Oktober 2023 Antikorruption

Ungarns Justizreformen erfüllen nicht die Meilensteine der EU-Kommission

Die jüngsten Justiz-Reformen der Orban-Regierung erfüllen nicht die entsprechenden Meilensteine der EU-Kommission. Kohäsionsgelder in Höhe von 13 Milliarden Euro dürfen damit weiterhin nicht an Ungarn ausgezahlt werden. Das ist die Haupterkenntnis einer Analyse, die heute von den vier größten pro-europäischen Fraktionen im Europaparlament vorgestellt wurde. Daniel Freund (MdEP Greens/EFA), Petri Sarvamaa (MdEP EVP), Eider Rubia Gardiazabal (MdEP S&D) und Katalin Cseh (MdEP Renew) kommen zu dem Schluss, dass die vier Meilensteine aus dem Justizbereich bisher nur unzureichend oder gar nicht umgesetzt wurden. Sie widersprechen damit deutlich der bisherigen Selbsteinschätzung der ungarischen Regierung. Eine Erfüllung der vier Meilensteine ist notwendig, um 13 Milliarden Euro Kohäsionsfonds an Ungarn freizugeben. Aktuell laufen zwischen EU-Kommission und ungarischer Regierung Verhandlungen über die Freigabe der eingefrorenen Gelder.

Daniel Freund, verhandelte für die Grünen den Rechtsstaatsmechanismus im Haushaltskontrollausschuss der Europaparlaments, kommentiert:

“Rechtlich ist die Sache eindeutig: Die ungarische Regierung hat die Bedingungen für eine Gelderfreigabe nicht erfüllt. Die Reformen sind unzureichend. Die 13 Milliarden Euro aus Brüssel dürfen nicht fließen. Die Situation des Rechtsstaats hat sich in Ungarn seit Beginn der Finanzsanktionen nicht verbessert. Sollte die EU-Kommission nun in dieser Situation einen Deal mit Viktor Orban erwägen, würde sie sich selbst auf rechtsstaatliches Glatteis begeben. Es käme einem Ausverkauf europäischer Werte gleiche, für den Ursula von der Leyen die volle politische Verantwortung tragen würde. Viktor Orban hat den Rechtsstaat in den vergangenen zehn Jahren systematisch kaputt gemacht und es gibt keine Anzeichen dafür, dass er ihn reparieren möchte. Es ist offensichtlich, dass Viktor Orban mit seinem Veto gegen die Ukraine-Hilfen versucht, EU-Gelder freizupressen. Damit darf er nicht durchkommen. Wer auch nur ansatzweise glaubt, dass ein Deal mit Orban – Veto gegen Geld – funktionieren könnte, sollte sich das enge Verhältnis zwischen Orban und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin anschauen.”

Die Meilensteine in der Kurzanalyse:

Supermeilenstein 213: Nationalen Justizrat stärken und Unabhängigkeit bewahren

Die Kompetenzen des National Judicial Council (NJC) wurden zwar erweitert, aber bis die Neuwahlen des Gremiums im Dezember abgeschlossen sind, bleibt unklar, wie unabhängig das Gremium seine Aufgaben wahrnehmen kann. Anzeichen für Beeinflussung der Wahlen durch die Regierung gab es schon. Außerdem bleibt der NJC bis März in einer “Inkubationsperiode” – erst danach wird sich zeigen, wie unabhängig das Gremium wirklich ist.

Supermeilenstein 214: Unabhängigkeit der Kúria (Oberster Gerichtshof) stärken

Der Wahlprozess zum Präsidenten der Kúria wurde zwar reformiert, aber der jetzige (irregulär ernannte) Amtsinhaber verbleibt für weitere 7 Jahre im Amt. Da für ihn das gesetzliche Höchstalter nicht gilt und er nur mit einer ⅔ Mehrheit im Parlament abgewählt werden kann, kann er theoretisch unbegrenzt im Amt bleiben. Auch der neue Algorithmus zur Zuteilung von Fällen wird weiterhin nicht per Computer, sondern von Menschen ausgeführt und unterliegt vielen Ausnahmen – es besteht daher weiter eine politische Kontrolle der Fallzuweisung. 

Supermeilenstein 215: Beseitigung der Hindernisse für Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH

Die Reform adressiert nicht die Konsequenzen einer Präzedenzentscheidung der Kúria, die die potentielle Anrufung des EuGH untergräbt. 

Supermeilenstein 216: Abschaffung der Überprüfung von gerichtlichen Urteilen durch das Verfassungsgericht

Die direkte Überprüfung von Urteilen vor dem Verfassungsgericht wurde abgeschafft. Dies bringt in der Realität aber keinen Mehrwert. Die Regelung war in der Vergangenheit für die Regierung nötig, um unliebsame Entscheidungen der Kúria “korrigieren” zu können – da diese mittlerweile aber auch von Orbán kontrolliert wird, benötigt die Regierung keine Überprüfung durch das (Fidesz-nahe) Verfassungsgericht mehr. 

 

Es ist offensichtlich, dass Viktor Orban mit seinem Veto gegen die Ukraine-Hilfen versucht, EU-Gelder freizupressen. Damit darf er nicht durchkommen.

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Korruption ist eine der größten Bedrohungen für unsere Demokratie. Autokratische Regierungen missbrauchen EU-Milliarden, um ihre Macht zu festigen, freie Medien aufzukaufen oder schlicht, um sich selbst zu bereichern. Die EU-Kommission verkennt die Gefahr und agiert fahrlässig. Ich setze mich entschieden dafür ein, dass Autokraten in Europa die EU-Gelder gestrichen und unsere Werte verteidigt werden.