Daniel Freund

22. April 2024 Antikorruption

Wie läuft die Korruptionsbekämpfung in der Ukraine? Meine Reise nach Kyjiw

Ich bin vergangene Woche in die Ukraine gereist, um mich mit der Korruptionsbekämpfung vor Ort  zu befassen. Aktuell fließen internationale Finanzhilfen in Milliardenhöhe in das Land, welches in der Vergangenheit von Korruptionsskandalen erschüttert wurde. Der Vorwurf – häufig geäußert von Rechtsaußen -, die Ukraine sei das korrupteste Land Europas, wiegt schwer. Ich habe mich daher mit der Zivilgesellschaft getroffen, mit Investigativ-Journalist*innen, den Antikorruptionsbehörden im Land, aber auch mit dem Büro der stellvertretenden Ministerpräsidentin, um besser zu verstehen, wie groß das Problem der Korruption wirklich ist und welche Maßnahmen dagegen funktionieren. 

Ohne Luftabwehr ist der Krieg verloren

Das Allerwichtigste vorab: Auch während meines Besuchs in Kyjiw wurde Raketenalarm ausgelöst. Wladimir Putin überzieht die Ukraine aktuell mit den schwersten Raketenangriffen auf zivile Ziele seit Ausbruch des Krieges. Sie kommt mit der Reparatur nicht mehr hinterher. Und die ukrainische Luftabwehr ist unzureichend, um diesen Raketen- und Drohnen-Terror abzuwehren. Luftverteidigung hat jetzt absolute Priorität, sonst gibt es im nächsten Winter keinen Strom und keine Heizung mehr. Dann wird dieser Krieg verloren gehen, so sagen es mir meine Gesprächspartner*innen. Kurz gesagt: Die Ukraine braucht mindestens sechs weitere Patriot-Luftabwehrsysteme.

Wenn viel Geld auf wenig Kontrolle trifft

Es wurden in der Vergangenheit mehrere schwere Korruptionsfälle in der Ukraine aufgedeckt – vor allem im Bereich des Zoll und der militärischen Beschaffung. Das ist leider wenig überraschend, sondern erwartbar, wenn große Mengen Geld (internationale Finanzhilfen) auf überlastete Kontrollsysteme treffen. Nichtsdestotrotz bestätigen mir mehrere Gesprächspartner*innen: Die Ukraine hat enorme Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht. Man sei mit der Arbeit der Antikorruptionsbehörden zufrieden, heißt es bei Transparency International. Man habe in der Korruptionsbekämpfung mittlerweile das Level anderer EU-Beitrittskandidat*innen erreicht. Um das zu verdeutlichen ein Beispiel:

Mit dem ‘Sandwich’ gegen überteuerte Eier

Investigativ-Journalist*innen in der Ukraine hatten aufgedeckt, dass die Armee völlig überteuerte Lebensmittel (u.a. Eier zum dreifachen Preis) und Winterkleidung eingekauft hatte. Der Überschuss landete dann in den falschen Taschen. Der Fall führte zu einem Aufschrei in der ukrainischen Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft und zur Kritik der internationalen Geldgeber. Unter diesem Druck von Innen und Außen (man spricht mir gegenüber von einem ‘Sandwich’) wurden Reformen beschlossen, unter anderem auch die Einführung einer neutralen Beschaffungsbehörde. Ich habe diese Institution besucht und hier geht es wirklich zu, wie in einer schnöden Behörde: Angebote werden eingeholt, Preise werden verglichen, Aufträge erteilt. Was langweilig klingt, hat aber Erfolg: Die Ausgaben in der Beschaffung wurden reduziert, das Korruptionsrisiko wurde gesenkt.

Was Europa jetzt machen muss

Mein Fazit: Die Ukraine macht wichtige und richtige Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Aber sie wird auch hier weiter auf unsere europäische Unterstützung angewiesen sein. Dazu gehört ganz konkret: In der Ukraine wegen Korruption Verurteilte müssen an die Ukraine ausgeliefert werden und dürfen keinen Unterschlupf in EU-Staaten finden. Und: Wir müssen die Ukraine früh an EU-Kontrollmechanismen für EU-Gelder heranführen. Dazu gehört für mich auch ein zeitnaher Beitritt zur Europäischen Staatsanwaltschaft. Wenn es in der Ukraine Betrug und Korruption mit EU-Geldern gibt, müssen EU-Behörden auch ermitteln können. 

Was wir aber bei aller konstruktiver Kritik nicht vergessen dürfen: Am Maidan-Platz weht für jede*n Getötete*n in diesem Krieg eine kleine Fahne. Es ist ein trauriges, bedrückendes Fahnenmeer. Zehntausende Männer und Frauen sind gestorben in diesem teuflischen Krieg. Sie haben ihr Leben für Europa gelassen. Gleichzeitig starten in Deutschland die Schreihälse von Rechtsaußen ihren Lügenkampagne gegen Europa und fordern das Ende der EU. 

Es muss immer völlig klar sein, auf welcher Seite wir stehen.

Es muss immer völlig klar sein, auf welcher Seite wir stehen.

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Korruption ist eine der größten Bedrohungen für unsere Demokratie. Autokratische Regierungen missbrauchen EU-Milliarden, um ihre Macht zu festigen, freie Medien aufzukaufen oder schlicht, um sich selbst zu bereichern. Die EU-Kommission verkennt die Gefahr und agiert fahrlässig. Ich setze mich entschieden dafür ein, dass Autokraten in Europa die EU-Gelder gestrichen und unsere Werte verteidigt werden.