Kommissionsvorschlag für EU-Ethikgremium verweigert unabhängige Kontrolle: “Wie ein Spiel ohne Schiedsrichter”
Heute hat die EU-Kommission einen Entwurf für ein interinstitutionelles EU Ethik-Gremium vorgelegt. Der Entwurf bleibt weit unterhalb dessen, was das Europaparlament (EP) in seiner Position im September 2021, vor über anderthalb Jahren beschlossen und im Februar erneut bekräftigt hatte. Kernpunke des Kommissionsvorschlags:
- Das Gremium besteht aus neun Vertreter*innen (eine/r pro teilnehmende Institution) unterstützt von fünf unabhängigen Expert*innen als Beobachter*innen
- Sechs Monate nach Ernennung beschließt das Gremium gemeinsame Mindeststandards für Interessenserklärungen, Nebenjobs, Geschenke, Anschlussjobs und Überwachung und Sanktionierung dieser Regeln
- Im Vorschlag steht wörtlich: „Das Gremium ist nicht zuständig für die Anwendung der internen Vorschriften einer Vertragspartei auf individuelle Fälle.“ (Artikel 6 (3)) Das war aber das Kernziel des Parlamentsvorschlags.
Daniel Freund (Grüne) Berichterstatter des Europaparlaments für ein unabhängiges Ethik-Gremium, kommentiert:
“Ursula von der Leyen bricht ihr zentrales Versprechen für Lobbykontrolle. Wir haben keinen Mangel an guten Lobbyregeln in Brüssel, sondern ein gewaltiges Problem bei deren Durchsetzung. Wenn in Brüssel Lobbyregeln gebrochen werden, dann muss es dafür auch Sanktionen geben. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass das mit dem aktuellen Kommissionsvorschlag auch passiert. Ursula von der Leyen will die Spielregeln diskutieren, weigert sich aber einen Schiedsrichter einzuführen. Fair Play beim Lobbying wird es so nicht geben. Mit diesem Flop riskieren wir, dass es schon bald ist den nächsten Korruptionsskandal gibt. Mit diesem schwachen Vorschlag der Kommission gehen wir jetzt in die Verhandlungen. Wir werden dafür kämpfen, dass Lobbyregeln in Brüssel endlich durchgesetzt werden.”
Ausblick auf die anstehenden Verhandlungen:
Ein Ethik-Gremium, das seinen Namen verdient, muss Fälle diskutieren, in denen Regeln gebrochen wurden. Der Kommissionvorschlag sieht fünf unabhängige Expert*innen vor. Ziel der Verhandlungen muss sein, dass sie per Änderungsantrag den Auftrag bekommen, Regelbrüche unabhängig zu überprüfen. Dabei können willige Institutionen vorangehen. Eine weitere Aufgabe dieser Expert*innen könnte sein, alle Interessenerklärungen von Kommissar*innen und Europaabgeordneten entgegenzunehmen und zu überprüfen. Dies hielt die Kommission noch im Februar 2022 für eine gute Idee des Parlaments.
Wir teilen den Wunsch, dass möglichst viele EU-Institutionen starke Ethik-Regeln bekommen. Um aber konkrete Fortschritte vor der Europawahl zu machen, dürfen wir nicht auf die langsamste Institution warten. Parlament und Kommission müssen mit willigen Institutionen vorangehen, wenn nur so vor Ende des Jahres Einigkeit erzielt werden kann.
Vorschlag der Kommission von heute: https://commission.europa.eu/publications/proposal-creation-interinstitutional-ethics-body_en
Fälle, die beweisen warum Selbstkontrolle nicht funktioniert hatten wir hier gesammelt: https://danielfreund.eu/kommission-verschleppt-ethikgremium/
Resolution des Europaparlaments vom 16 September 2021 für das Ethik-Gremium: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0396_DE.html
Unsere Kommentierung zum EP-Beschluss für das Ethik-Gremium: https://danielfreund.eu/europaparlament-fuer-eu-ethik-gremium/
Ursula von der Leyen will die Spielregeln diskutieren, weigert sich aber einen Schiedsrichter einzuführen. Fair Play beim Lobbying wird es so nicht geben.