Groko-Entwurf für Lobbytregister ist Etikettenschwindel. Dieses Lobbyregister hätte Fall Amthor nicht verhindert
Heute berichten Medien über einen Gesetzesentwurf der Großen Koalition für ein deutsches Lobbyregister. Der Entwurf sieht eine Registrierungspflicht für Lobbyisten beim Bundestag vor. Die Liste soll öffentlich sein. Theoretisch sollen Geldstrafen bis 50.000 Euro möglich werden. Die Vorschläge der Großen Koalition fallen dabei weit hinter Regeln zurück, die beispielsweise in der EU längst Standard sind:
- Während in Brüssel das Lobbyregister für Parlament und EU-Kommission gilt, will sich die Bundesregierung selbst außen vor lassen, obwohl sie das Hauptziel für Lobbyisten ist.
- EU Kommissare, ihre wichtigsten Mitarbeiter und an EU-Gesetzen mitschreibende Europaabgeordnete müssen ihre Lobbytreffen veröffentlichen. Dieses zentrale Element von Lobbytransparenz fehlt im deutschen Entwurf komplett.
- Auch bei den Ausgaben von Lobbyisten soll das wichtigste Element – Personalkosten – weiter geheim bleiben.
Daniel Freund, Verhandlungsführer der Grünen für das EU-Lobbyregister kommentiert:
“Der erste Entwurf der GroKo für ein Lobbyregister ist gefährlicher Etikettenschwindel. Ein Lobbyregister, das vor dem Großteil des Lobbying gegenüber der Bundesregierung die Augen verschließt, ist den Namen nicht wert. Jeder in Berlin weiß, dass die Gesetze in den Ministerien geschrieben werden. Sie sind dementsprechend auch das Hauptziel von Lobbyarbeit.”
“Selbst wo das Register im Bundestag gilt, droht es den Großteil der Lobbyausgaben zu unterschlagen. Ohne die Veröffentlichung von Lobbytreffen macht ein Register für den Fall Amthor keinen Unterschied. Es braucht die Pflicht zur Veröffentlichung von Lobbytreffen mit Regierung und Abgeordneten, damit sich der Fall Amthor nicht wiederholt.”
“Ein solch unbrauchbares Lobbyregister würde mehr schaden als nützen. Der Einfluss von Lobbyisten auf Gesetze muss transparent werden, damit das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zurückgewonnen werden kann. CDU/CSU und SPD haben nichts gelernt vom Fortschritt bei Lobbytransparenz in der EU, in Frankreich, in Kanada. Damit Deutschland bei Lobbytransparenz aufholt, darf das neue Gesetz nicht schlechter sein als die Regeln in Brüssel. Die GroKo sollte auf die guten Empfehlungen der Zivilgesellschaft hören wie Deutschland zu internationalen Vorbildern aufschließen kann. Die Bürger*innen haben ein Recht darauf zu wissen, wer wann und wo an welchem Gesetzgebungsprozess Einfluss nimmt.”
Die Bürger*innen haben ein Recht darauf zu wissen, wer wann und wo an welchem Gesetzgebungsprozess Einfluss nimmt.
Gestern (24.08.2020) hatten LobbyControl, Abgeordnetenwatch und weitere Nichtregierungsorganisationen in einem Offenen Brief Forderungen an die Große Koalition für ein verpflichtendes Lobbyregister veröffentlicht. Die NGOs fordern:
Verpflichtungen sollen Lobbyisten auferlegt werden
Lobbyismus sowohl gegenüber Parlament als auch der Regierung soll transparent werden
es braucht ein Gesetz, nicht nur Einladungen
egal ob Verband, Unternehmen, NGO, Stiftung, Agentur oder Anwaltskanzlei: wer lobbyiert muss zu Transparenz verpflichtet werden
Ob Regeln eingehalten wird unabhängig kontrolliert, von einer eigenen Behörde wie in Frankreich (nicht vom Parlament selbst)
Das Register muss transparent machen worauf es ankommt: Finanzen, konkrete Aktivitäten, wer kontaktiert wurde
Der Anhang II der inter-institutionellen Vereinbarung von Europäischem Parlament und EU-Kommission von 2014 über das EU-Transparenzregister regelt, was Lobbyisten angeben müssen. Dies schließt ein:
Name, Anschrift, Telefonnummer, E-mail, Webseite
rechtliche verantwortliche Person
Zahl der Mitarbeiter, die lobbyieren
Personen mit EP-Hausausweis
Zweck, Aufgabe, Interessengebiet
jährliche Lobbyausgaben (ohne Ausnahmen), bei Beratungsfirmen, Anwaltskanzleien, selbstständigen Beratern neben dem Gesamtumsatz auch den Umsatz jeweils pro Kunde
Paragraph 7. der inter-institutionellen Vereinbarung regelt, was Lobbying im Sinne des EU-Transparenzregisters umfasst:
7. In den Anwendungsbereich des Registers fallen alle nicht in den Nummern 10 bis 12 genannten Tätigkeiten zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf die Politikgestaltung oder -umsetzung und die Beschlussfassungsprozesse der EU-Organe, unabhängig vom Ort, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden, sowie vom verwendeten Kommunikationskanal oder -medium, wie etwa Outsourcing, Medien, Verträge mit professionellen Mittlern, Denkfabriken, Plattformen, Foren, Kampagnen oder Basisinitiativen.
Im Sinne dieser Vereinbarung sind unter „unmittelbarer Einflussnahme“ Einflussnahme durch einen unmittelbareren Kontakt zu bzw. eine unmittelbare Kommunikation mit den EU-Organen und andere Folgemaßnahmen zu solchen Tätigkeiten zu verstehen, während „mittelbare Einflussnahme“ eine Einflussnahme unter Nutzung von Intermediären wie Medien, der öffentlichen Meinung, Konferenzen oder gesellschaftlichen Veranstaltungen, mit denen die EU-Organe erreicht werden sollen, bezeichnet.
Insbesondere umfassen diese Tätigkeiten
— die Kontaktaufnahme zu Mitgliedern und deren Assistenten, Beamten oder sonstigen Bediensteten der EU-Organe;
— die Vorbereitung, Verbreitung und Übermittlung von Schreiben, Informationsmaterial und Diskussions- und Positionspapieren;
— die Organisation von Veranstaltungen, Treffen, Werbemaßnahmen, Konferenzen oder gesellschaftlichen Veranstaltungen, für die Einladungen an Mitglieder und deren Assistenten, Beamte oder sonstige Bedienstete der EU-Organe versendet wurden, und
— freiwillige Beiträge zu und die freiwillige Beteiligung an formalen Konsultationen oder Anhörungen zu geplanten Gesetzgebungsakten und sonstigen Rechtsakten der EU sowie anderen offenen Konsultationen.