Kein EU-Geld für Autokraten: Eine grüne Erfolgsgeschichte
Wir haben es geschafft! Es sind jetzt 6,3 Milliarden Euro EU-Gelder an die Orban-Regierung eingefroren – weitere 5,8 Milliarden aus dem Corona-Fonds werden ebenfalls zurückgehalten. Der Grund: Massive Rechtsstaatsverstöße in Ungarn. Erstmals überhaupt wird die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung von Europäischen Werten geknüpft. Das ist ein wegweisender Erfolg. Und es war ein aufreibender politischer Kampf, den ich als Grünes Mitglied im Verhandlungsteam des Europäischen Parlaments begleiten durfte – gegen Widerstände in der EU-Kommission, in den EU-Mitgliedstaaten und die Propaganda-Maschine von Viktor Orban.
Als ich vor dreieinhalb Jahren mein Mandat im Europäischen Parlament begonnen habe, galt Vielen das Unterfangen als aussichtslos. Einem wie Orban sei nicht beizukommen. Die Widerstände im Rat der Mitgliedstaaten seien zu groß, Orban mit seinem Veto zu mächtig und Ursula von der Leyen an der Spitze der EU-Kommission zu wenig gewillt, bei der Durchsetzung Europäischer Werte durchzugreifen.
Das erste Mal zu spüren bekamen wir dies im Herbst 2020. Die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel hatte die Ratspräsidentschaft der EU inne. Und unter ihrer Leitung versuchten die Mitgliedstaaten, den Rechtsstaatsmechanismus immer weiter zu verwässern. Und selbst als wir hier einen gangbaren Kompromiss gefunden hatten, torpedierten Polen und Ungarn diesen mit einem Veto gegen den EU-Haushalt und den Corona-Rettungsschirm.
Es war klar, dass Viktor Orban jedes Mittel ergreifen würde, um seinen autokratischen Kurs weiter ungehindert fortzusetzen. Und es war auch klar, dass Ursula von der Leyen diesem Thema keine Priorität einräumt. In einer Erklärung hatte sie die EU-Kommission zur Untätigkeit verpflichtet. Die Kommission solle erstmal mindestens anderthalb Jahre warten, bis sie das neue Werkzeug einsetzt.
Das Europäische Parlament gilt manchen als die schwächste EU-Institution. Aber in diesem Kampf für Europas Werte hat es sich durchgesetzt. Wir haben in den vergangenen Jahren vor allem eins gemacht: Druck. Wir waren immer einen Schritt schneller als die EU-Kommission. Unsere Grünen Gutachten haben gezeigt, dass Viktor Orban sämtliche Bedingungen erfüllt, dass ihm EU-Gelder gestrichen werden. Wir haben aufgezeigt, dass nur ein Einfrieren ALLER EU-Gelder an Ungarn angemessen ist. Wir haben deutlich gemacht, dass die Scheinreformen in Budapest deutlich zu kurz greifen. All das, bevor sich die EU-Kommission in der Sache äußern konnte. Als das Schweigen zu laut wurde, haben wir die Von der Leyen Kommission wegen Untätigkeit beim Schutz des Rechtsstaats vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
Ich habe in diesen Jahren viel gelernt: Wie wichtig es ist, dass eine proeuropäische Mehrheit im Parlament – von Konservativen bis Linken – zusammenhält. Ich habe zusammen mit dem finnischen Christdemokrat Petri Sarvamaa, der spanischen Sozialdemokratin Eider Gardiazábal Rubial und den Liberalen Katalin Cseh aus Ungarn und Moritz Körner von der FDP immer wieder Druck gemacht. Wie wichtig die Expertise der Zivilgesellschaft in diesen Verfahren ist. Wie zentral es ist, dass die Öffentlichkeit weiß, was in Brüssel und was in Ungarn passiert.
Wir haben immer dann etwas bewegt, wenn die Politik aus dem Verhandlungssaal herausgekommen ist. Wenn sie offen und transparent war. Einen großen Dank auch an Euch alle! Ihr habt geholfen Infos per Email oder Posts in den sozialen Medien zu verbreiten. Ihr habt Petitionen mitgezeichnet. Ihr habt das Thema auf Veranstaltungen mitdiskutiert und geholfen, den nötigen öffentlichen Druck aufzubauen, der diesen Erfolg möglich gemacht hat. Ich halte euch weiter auf dem Laufenden!
Ich bin in den vergangenen drei Jahren sechs Mal nach Ungarn gereist. Habe mir Input geholt von unseren Partner*innen bei den ungarischen Grünen und in der Zivilgesellschaft. Ich habe für die geeinte Opposition mit dem Premierminister Kandidaten im Wahlkampf auf der Bühne gesprochen. Oppositionelle, Geflüchtete und Journalist*innen haben mir aus erster Hand erzählt, was es heißt, wenn Milliarden verschwinden und sie dafür unter die Räder geraten. Und ich wurde bedroht und angefeindet – bis zu dem Punkt, dass ich mich im August 2022 nur noch mit Polizeischutz bewegen konnte, weil es aus Orbans Vertrauten-Kreis öffentliche Gewaltaufrufe gegen mich gab.
Dass Viktor Orban jetzt wegen seines Autokraten-Kurses EU-Gelder eingefroren werden, ist ein Grüner Erfolg! Alexandra Geese und Terry Reintke haben die Konditionalitätsverordnung mitverhandelt – Terry als Berichterstatterin für den Innenausschuss. Terry hat über die ganze Zeit die Kanäle in die EU-Hauptstädte offen gehalten und an der Fraktionsspitze immer dafür gesorgt, dass das Thema die höchste Priorität hatte. Sergey Lagodinsky hat für uns die Mehrheit im Rechtsausschuss organisiert, damit wir per Untätigkeitsklage den Druck auf Von der Leyen erhöht haben. Toni Hofreiter (der mit mir zusammen nach Budapest gereist ist) und Chantal Kopf waren unsere starken Verbündeten im Bundestag. Anna Lührmann, unsere Europaministerin, hat im Rat unermüdlich für Europas Werte gekämpft und am Ende eine überwältigende Mehrheit organisiert 25:2.
Dank starker Grüner an den richtigen Stellen: im Europäischen Parlament, im Bundestag, in der deutschen Bundesregierung und natürlich vor Ort in Ungarn ist jetzt klar:
Autokraten in der EU werden EU-Gelder eingefroren. Das ist unser Erfolg!
Ich wünsche Euch geruhsame Feiertage und einen guten Rutsch.
Daniel Freund
Autokraten in der EU werden EU-Gelder eingefroren. Das ist unser Erfolg!