Daniel Freund

12. März 2021 Antikorruption

Korruptionsregeln: Was der 10-Punkte-Plan der Union löst - und was nicht

Die Chefs der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag haben soeben mit einem 10-Punkte Plan auf die zahlreichen Skandale persönlicher Bereicherung reagiert. Sie wollen Lobby-Nebenjobs verbieten, die eigentlich schon verbotene Nutzung des Mandats für private Geschäfte jetzt auch unter Geldstrafe stellen. Illegale Einkünfte sollen abgegeben werden.

Das Strafmaß für Abgeordnetenbestechung und -Bestechlichkeit soll erhöht werden. Allerdings ist das Problem bei der Abgeordnetenbestechung nicht das Strafmaß, sondern, dass sich der Tatbestand aktuell im Grund nicht erfüllen lässt. Kurz: es ist im Grunde unmöglich Abgeordnete wegen Bestechung zu verurteilen. Im Fall Amthor fand die Staatsanwaltschaft nicht einmal einen Anfangsverdacht. Nebenverdienste sollen auf Euro und Cent veröffentlicht werden, aber erst ab 100.000 Euro. Unter 100.000 bleibt es sehr wage und unter 1.000€ pro Tätigkeit muss gar nicht veröffentlicht werden.

Während die CDU/CDU vorschlägt Lobby-Nebenjobs zu verbieten, bleiben Treffen mit Lobbyisten und unabhängige Kontrolle außen vor. Die Kontrolle der verschärften Regeln soll beim Präsidenten des Bundestages (Wolfgang Schäuble, CDU) und teils bei der Unionsfraktion selbst liegen.

Das Europaparlament diskutiert aktuell die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums, dass die bisherige Selbstkontrolle ablösen soll. Unser Bericht schlägt vor dass Schiedsrichter von unterschiedlichen Institutionen ernannt und extern sein sollten. Während die europäischen Sozialdemokraten, Liberalen, Linken und teils sogar Rechte unabhängige Kontrolle unterstützen, lehnen die Christdemokraten die Pläne bisher ab.

 

Daniel Freund, Berichterstatter des Europaparlaments für die Einrichtung eines unabhängigen Ethikgremiums kommentiert:

“Das CDU/CSU sich nach jahrelangem Widerstand für ein Verbot von Lobby-Nebenjobs aussprechen ist ein Fortschritt. Der Plan der Union verstärkt Strafen, ist aber schwach bei wirksamer Kontrolle. Treffen mit Lobbyisten müssen im Bundestag endlich genauso offengelegt werden wie im Europaparlament, damit Lobbyeinfluss erkennbar wird. Das hätte die aktuellen Skandale früher und nicht erst dank Journalisten öffentlich gemacht.

Damit Bürger darauf vertrauen können, dass Skandale auch außerhalb des heißen Wahlkampfs verfolgt werden, muss die Union die Kontrolle darüber in unabhängige Hände legen. Der CDU-Bundestagspräsident Schäuble hatte Parteifreund Amthor schon vor Abschluss der Prüfung durch seine Verwaltung freigesprochen und sich damit nicht als unabhängige Kontrollinstanz empfohlen. Eine Führung der Unionsfraktion, die Karin Strenz und Philipp Amthor nie sanktioniert hat, kann nicht glaubwürdig einen neuen Verhaltenskodex durchsetzen. Der Widerstand der Christdemokraten im Europaparlament, unabhängige Kontrolle über Verhaltensregeln zu akzeptieren, entlarvt die Kontroll-Schwäche des Berliner Plans.

Der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechlichkeit muss alle Korrupten treffen, nicht nur die Dümmsten. Die anstehende Gesetzesänderung darf nicht nur das Strafmaß betreffen, sie muss auch die Hürden des Nachweises auf ein anwendbares Maß senken. Bestechlichkeit muss unabhängig davon bestraft werden, ob Geldgeber und Abgeordneter den illegalen Handel schriftlich vereinbaren.“

 

HINTERGRUND (1): Was CDU/CSU vorschlagen

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/knallhart-plan-der-union-nebeneinkuenfte-auf-euro-und-cent-offenlegen-75712756.bild.html

GUT: Verbot Lobby-Nebenjobs: “[Wir werden] die entgeltliche Tätigkeit als Interessenvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag gesetzlich verbieten und Verstöße mit einem Ordnungsgeld belegen.” mit Abschöpfung verbotener Einnahmen (aus Missbrauch Mandat für privaten Profit oder verbotener Interessenvertretung für Dritten) zusätzlich zur Geldstrafe und Ordnungsgeld für geschäftliche Nutzung des MdB-Titels: was schon in den Verhaltensregeln verboten ist, soll jetzt gesetzlich verboten und bestraft werden

GUT ABER WINZIG: Anzeigepflicht für Einnahmen aus Beteiligungen (z.B. Dividenden, Gewinnausschüttungen), bisher sind nur Beteiligungen selbst ab 25% anzuzeigen und die Anzeigepflicht für Aktienoptionen auch wenn sie nicht selbstständig handelbar sind, insofern sie Gegenleistung einer Nebentätigkeit sind

ZU WENIG: Nebenverdienste auf Euro und Cent ab 100.000 Euro und “Veröffentlichung von hohen Nebeneinkünften grundlegend neu ordnen und transparenter machen”. Dennoch bleiben Nebeneinkünfte bis 1000 Euro intransparent während im Europaparlament ab dem ersten Euro veröffentlicht werden muss. Das bisherige Stufensystem springt weiter von 1000 auf 3 500, 7 000, 15 000, 30 000, 50 000, 75 000, 100 000, also um bis zu 25 000 Euro zwischen den Stufen. Die bisherigen Offenlegungspflichten lassen außerdem nicht erkennen, ob konkrete Interessenkonflikte bestehen.

ZU WENIG: Verbot von Abgeordnetenspenden: zulässig bleibt Spenden anzunehmen und an die Partei weiterzuleiten. Spenden nicht an die Partei weiterzuleiten war bereits steuerlich nachteilig. Das senkt die Veröffentlichungspflicht nicht von 10.000 Euro jetzt auf 5.000 Euro wie wir Grünen fordern.

AM PROBLEM VORBEI: Abgeordnetenbestechung/bestechlichkeit wird Verbrechen statt nur Vergehen, Strafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöhen. Das Problem sind die unerreichbaren Hürden bei der Nachweisbarkeit.

UNGLAUBWÜRDIG: interner CDU/CSU Verhaltenskodex soll “verbindlich” sein und “einen internen Kontroll- und Sanktionsmechanismus festlegen”. Obwohl CDU-MdB Karin Strenz nachweislich Geld vom ex-CSU MdB und Aserbaidschan-Lobbyisten Lintner annahm, ist sie weiter Fraktionsmitglied. Philipp Amthor wurde nach der Annahme persönlicher Vorteile im Gegenzug für Lobbyarbeit für Augustus Intelligence zum CDU-Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Die Kontrolle eines Verhaltenskodex kann die CDU/CSU-Fraktion nicht glaubwürdig gewährleisten.

 

WAS FEHLT:

Offenlegung von Lobbytreffen als Legislativer Fußabdruck von Regierung und im Parlament

Lobbyregister: Ausnahmen von Regstrierungspflicht und Ausnahmen bei Angaben zu Ausgaben für Personal im Gesetzentwurf schließen

Parteispenden sollen auf natürliche Personen beschränkt und gedeckelt werden

Karenzzeit für Minister auf 2 Jahre verlängern

unabhängige Kontrolle der Verhaltensregeln, siehe Vorschlag für eine unabhängige Ethik-Behörde für Europaparlament und EU-Kommission: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/AFCO-PR-663273_EN.pdf

Offenlegung von Vermögen/Schulden von Ministern und Staatssekretären

 

HINTERGRUND (2): taz zum Widerstand gegen das EU Ethik-Gremium

https://taz.de/Nebenjobs-von-EU-Politikern/!5757663/

 

HINTERGRUND (3): Kritik am Gesetz zur Abgeordnetenbestechung

Panorama-Magazin: https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Abgeordnetenbestechung,bestechung116.html

ex-Bundesrichter Thomas Fischer: https://www.zeit.de/2014/27/abgeordnetenbestechung-gesetz

  • Paragraf 108 e Strafgesetzbuch verbietet nur Stimmenkauf (verboten also: D-Mark gegen Stimme; nicht verboten: erst Stimme, dann Steuerbefreiung). Was tatsächlich vorkommt sei hingegen nicht enthalten: weder nachträgliche „Belohnungen“ (für nützliche Anträge und erfreuliches Stimmverhalten) noch immaterielle Vorteile (schöne Damen), noch Zuwendungen an Dritte (sprich: an Ehegatten, Freunde, Tennisvereine oder Parteien)
  • Gepflogenheiten: Der Vorteil sei in keinem Fall ungerechtfertigt, wenn seine Annahme entweder den Vorschriften über die Rechtsstellung von Abgeordneten oder den „parlamentarischen Gepflogenheiten“ entspreche. Merke: Rechtmäßig ist, was irgendwie erlaubt und was schon heute üblich ist.
  • Nachträgliche „Belohnungen“, also Vorteile, die erst nach der Vornahme der Handlungen zugewandt werden, sind vom Wortlaut nur dann erfasst, wenn sie schon vor der Handlung vereinbart worden sind. Wenn die Vereinbarung erst später zustande kommt, sind die eigentlich ungerechtfertigten Vorteile vollständig straflos.
  • „Auftrag“ und „Weisung“: Wo ernst zu nehmende Reste von Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit bleiben oder auch nur unwiderlegbar behauptet werden, erfolgt die Handlung nicht „auf Weisung“. Bestrafung trifft nur Mandatsträger die nicht versichern, über die Weisung des Vorteilsgebers noch einmal ganz unabhängig über dessen Argumente nachdenken zu wollen.