Daniel Freund

16. September 2020 Demokratie

Nach dem Brexit: Verabschieden sich die Grünen von direkter Demokratie?

Seit ihrer Gründung setzten sich die Grünen für Volksbegehren und Volksentscheide ein. Auch dank grünem Einsatz stehen sie heute in allen Landesverfassungen. Der Volksentscheid Artenvielfalt in Bayern war ein großer Erfolg und sorgt für weniger Pestizide und mehr Schutz für Bienen, Insekten und Vögel. Der Volksentscheid Fahrrad in Berlin sammelt über 100.000 Unterschriften, setzt ein zentrales Thema der Abgeordnetenhauswahl und wird von der neuen rot-grün-roten Regierung übernommen. In Hamburg hat ein Volksentscheid allerdings Grüne Schulreformen wieder rückgängig gemacht. Das Brexit-Referendum hat sehr deutlich gezeigt, wie direkte Demokratie missbraucht werden kann: Lügen gewannen über Sachargumente. Nun hat der Grüne Bundesvorstand einen Grundsatzprogrammentwurf vorgelegt, zum ersten Mal ohne die Forderung nach direkter Demokratie in Form von* Volksinitiativen und Volksentscheiden.

  • Sind per Los besetzte Bürgerräte als Beratung für Abgeordnete die bessere Alternative zu Volksinitiative und Volksentscheid?
  • Ist die Spaltung unserer Gesellschaft durch Rechtspopulisten eine so große Gefahr, dass wir direkte Demokratie nicht mehr riskieren können?
  • Oder sind Volksinitiativen und Volksentscheide jetzt genau das richtige Werkzeug für Bürgerinnen und Bürger sich gegen den Lobbyeinfluss von großen Konzernen oder für gezielte politische Projekte wie mehr Klimaschutz einzusetzen?

 

Das wollen wir online mit euch diskutieren, am Donnerstag, 24. September von 18-19 Uhr, meldet euch an.

 

Mit euch diskutieren:

  • Lukas Beckmann, Mitgründer der Grünen und von Mehr Demokratie e.V.
  • Claudine Nierth und Ralf-Uwe Beck, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie e.V.
  • Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Mitautorin des Grundsatzprogrammentwurfs
  • Daniel Freund, Grüner Europaabgeordneter, Grüner Verhandlungsführer für Konferenz über die Zukunft der EU

 

Unsere interaktive Online-Veranstaltung ermöglicht euch allen Fragen zu stellen und mitzudiskutieren. Die Diskussion ist offen für Alle, Grüne Mitglieder oder nicht.

Bitte teilt diese Einladung auch mit weiteren Interessierten.


* Der Entwurf des Grundsatzprogramms enthält diese beiden Paragraphen:

(244) Unsere Demokratie hat ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen Jugendliche und Kinder ausgeblendet werden, obwohl sie von Geburt an Staatsbürger*innen sind. Entsprechend sollte im nächsten Schritt ein bundesweites Wahlrecht ab 16 Jahren gelten und es sollten weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen ausgebaut werden.

(248) Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie. Mit Bürger*innen-Räten soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die Alltagsexpertise von Bürger*innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Zufällig ausgewählte Bürger*innen beraten in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung und erarbeiten Handlungsempfehlungen und Impulse für die öffentliche Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Es gilt sicherzustellen, dass die Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird. Bürger*innen-Räten kommt eine rein beratende Funktion für die öffentliche Debatte und
Gesetzgebung zu. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen, ihnen aber nicht folgen. Bürger*innen-Räte können auf Initiative der Regierung, des Parlaments oder als Bürgerbegehren zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das soll auch auf Bundesebene möglich sein.

Die Forderung nach direkter Demokratie, die nicht nur Parlamentarier*innen berät, sondern Bürger*innen die Entscheidung überträgt, kommen allerdings nicht vor.