Daniel Freund

26. Februar 2021 Antikorruption

TI-Studie: Lobby-Dominanz von Google, Facebook & Co. in Brüssel und EU-Hauptstädten - EU-Lobbyregeln müssen gestärkt werden

Der damalige Präsident des Europaparlaments Antonio Tajani weist Facebook-CEO Mark Zuckerberg den Weg zu einem öffentlichen Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden am 22.05.2018
Der damalige Präsident des Europaparlaments Antonio Tajani (EVP/Forza Italia) weist Facebook-CEO Mark Zuckerberg den Weg zu einem öffentlichen Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden am 22.05.2018

Eine aktuelle Studie von Transparency International enthüllt wie Google, Facebook, Apple und Microsoft als Lobbyisten dominieren, nicht nur in Brüssel, sondern auch in EU-Hauptstädten wie Paris, Dublin und in London. Google, Microsoft und Facebook sind 3 der Top 10 Lobbyisten, die EU-Kommissare und ihre top-Mitarbeiter treffen. Europaabgeordnete veröffentlichten Treffen mit Google (50x), Facebook (40x), Microsoft (28x) Apple (18x) und Amazon (17x). Diese Zahlen bilden aber nicht das gesamte Bild ab, da nur rund jeder zweite EU-Abgeordnete Lobby-Treffen veröffentlicht. Google allein gibt 5.750.000 Euro pro Jahr für EU-Lobbying aus.

Die Dominanz der multinationalen Digitalkonzerne wächst weiter, auch durch ihr Lobbying in EU Hauptstädten. An den Beispielen Paris, Dublin und London zeigt die TI-Studie den Lobbyeinfluss auf nationale Politik, der dann quasi „über Bande“ auch europäische Gesetzgebung beeinflusst. In Irland, dem Sitz der meisten Digitalkonzerne, richten sich 54% aller erklärten Lobbyaktivitäten von Google auf EU-Entscheidungen. Bei Facebook sind es 40% der 42 selbst erklärten Lobbyaktivitäten. Es geht vor allem um Datenschutz und Copyright. Geleakte interne Dokumente von Facebook zeigen wie besserer Datenschutz durch den Einfluss auf EU-Regierungen im Rat der Mitgliedstaaten verhindert werden sollte.

Zu Deutschland kann die Studie kaum Ergebnisse vorweisen, da Regeln für Lobbytransparenz schwach ausgeprägt sind und Zugang zu Dokumenten kaum möglich ist. Die Autoren kritisieren, dass in Deutschland weiterhin ein Lobbyregister fehlt.

 

Facebooks Einfluss in Berlin ist allerdings groß. Das zeigt ein neuer Seitenwechsel: Julia Reuss, bisher Büroleiterin von Digitalstaatsministerin Dorothee Bär, nimmt die Drehtür ins Lobby-Büro von Facebook. Reuss ist die Lebensgefährtin von Andreas Scheuer (CSU), als Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständig. Für Mitarbeiter*innen der EU-Kommission wäre ein solcher Wechsel genehmigungspflichtig und Lobbyismus gegenüber ehemaligen Kollegen während einer Abkühlzeit verboten.

 

Die Studie und den Wechsel von Reuss kommentiert Daniel Freund, Berichterstatter des Europaparlaments für Transparenz und Integrität:

„Wenn wir uns die Regeln im Internet nicht von Facebook, Google und Microsoft diktieren lassen wollen, müssen wir jetzt die Regeln für Lobbying in Brüssel durchsetzen. Wie viele Lobbyisten und Millionen Euro die Digitalgiganten einsetzen, um das kommende Gesetz über digitale Dienstleistungen in ihrem Sinne zu schreiben, ist überwältigend. Die EU-Regeln für Lobbytransparenz können unverhältnismäßigen Einfluss transparent machen und einen Ausgleich beim Zugang zu Entscheidungsträgern forcieren.“

„Die größte Gefahr für Lobbytransparenz in der EU sind die nationalen Regierungen im Rat. Die TI-Studie zeigt wie Lobbyisten die EU-Regeln für EU-Gesetze ad absurdum führen indem sie nationale Vertreter im Rat der Mitgliedstaaten beeinflussen. Die vorbildlichen Transparenzregister in Frankreich und Irland erlauben diese Zählung von Transparency International. Ein Lobbyregister wie in Frankreich oder Irland fehlt in Deutschland schmerzlich. Der skandalöse Wechsel der Partnerin von CSU-Digitalminister Scheuer zu Facebook entlarvt die Schwäche der deutschen Ethik-Regeln im EU-Vergleich. Exekutiv-Mitarbeiter müssen abkühlen bevor sie die Drehtür in den Lobbyismus nehmen können. Dass der Partner lobbyiert, wozu der andere Partner führender Entscheidungsträger ist, wäre ebenso nicht zulässig. Die GroKo muss solch eklatanten Interessenkonflikte nach europäischem Vorbild verhindern.“

„3 von 5 Wechseln aus EU-Institutionen ins Facebook-Lobbybüro in Brüssel wurden ohne Abkühlzeit genehmigt. Diese schwache Umsetzung der an sich guten europäischen Regeln ist inakzeptabel. Wir haben eine EU-Ethikbehörde vorgeschlagen, die Ethik-Regeln endlich unabhängig und damit glaubwürdig umsetzen kann. Der unkontrollierte Lobbyismus der Digitalgiganten zeigt, wie wichtig eine unabhängige EU-Ethikbehörde ist.“

 

HINTERGRUND

TI-Studie: https://transparency.eu/wp-content/uploads/2021/02/Deep_pockets_open_doors_report.pdf

 

TI Kommentierung: https://transparency.eu/deep-pockets-open-doors/

 

Big Tech Lobbying online-Diskussion auf Einladung von Alexandra Geese and Daniel Freund: https://www.youtube.com/watch?v=x3iZ5g5-CfA

 

Wechsel von Julia Reuss zu Facebook: https://www.wiwo.de/my/politik/europa/berlin-und-bruessel-facebook-rekrutiert-direkt-aus-dem-kanzleramt/26927016.html