Daniel Freund

18. Juni 2021 Antikorruption

Besuch in Ljubljana: “Slowenische EU-Ratspräsidentschaft könnte zum Risiko für europäische Demokratie werden”

Zivilgesellschaft und freie Presse werden in Slowenien von Regierungschef Janez Janša heftig attackiert. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen unter Druck. Die Lage verschlechtert sich zusehends. Das sind die schmerzlichen Erkenntnisse unserer Reise nach Ljubljana in den vergangenen Tagen.

Mehr als ein Dutzend Gespräche mit Journalist*innen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen haben für uns ein bedrückendes Bild gezeichnet. Slowenien galt lange als Vorbild in Sachen demokratischer und wirtschaftlicher Transformation. Die aktuellen Entwicklungen zeigen leider sehr deutlich, wie bedroht demokratische Institutionen und eine freie Gesellschaft sind, wenn ein Regierungschef versucht, mit aller Kraft seine autoritäre Agenda durchzudrücken.

Die Lage in Slowenien ist nicht so dramatisch wie in Polen oder Ungarn. Aber sie braucht unsere Aufmerksamkeit und den mutigen Einsatz Europäischer Institutionen und Regierungen. Unsere Werte und unsere Demokratie sind nicht selbstverständlich. Wir müssen sie aktiv verteidigen. Dies gilt erst recht, wenn ein autoritärer Premierminister wie Janez Janša während der bevorstehenden Ratspräsidentschaft maßgeblich die Agenda der EU prägen wird. 

Unsere Erkenntnisse im Einzelnen:

Freie Presse: Gelder streichen – Journalist*innen einschüchtern

Sloweniens größter und wichtigster Nachrichtenagentur STA droht das Aus. Sie soll finanziell ausgetrocknet werden. Chefredakteurin Barbara Strukelj hat uns eindrücklich von persönlichen Angriffen des Ministerpräsidenten Janez Janša erzählt. Janša bezeichnet die Agentur als „nationale Schande“, fordert strafrechtliche Ermittlungen und entzieht den Journalist*innen seit Anfang des Jahres die ihnen zustehenden öffentlichen Gelder. Damit versucht er, kritische Berichterstattung neben seinem im Aufbau befindlichen konservativen Medienimperium mundtot zu machen. Andere Journalist*innen gerieten noch intensiver ins Fadenkreuz von Premierminister Janša. Sie sind gezeichnet von den Hass- und Verleumdungskampagnen der Regierung. Ihre Namen wollen wir nicht nennen, um sie nicht in noch größere Schwierigkeiten zu bringen.

Korruption: Wie die Regierung Ermittlungen verhindern will

Der Whistleblower Ivan Gale hat einen der größten Korruptionsskandale in Slowenien aufgedeckt und dafür seinen Job verloren. Die Regierung hatte überteuerte Aufträge für Masken und medizinisches Gerät während er Corona-Pandemie an politische Günstlinge und Freunde verteilt. Gale – zu dem Zeitpunkt in der nationalen Beschaffungsbehörde aktiv – machte die Praktiken publik und erhielt in der Folge Morddrohungen. Gale berichtet uns von der zunehmenden Korruption im Land und beklagt, dass Kontrollinstanzen kalt gestellt werden. Als einziges Mitgliedsland der Europäischen Staatsanwaltschaft verweigert die slowenische Regierung die Kooperation mit der Untersuchungsbehörde. Die wurde eigens geschaffen, um bei Betrug mit EU-Mitteln zu ermitteln. Janša weigert sich aber, die nominierten slowenischen Staatsanwält*innen zu entsenden. Das verhindert ein effektives Vorgehen gegen Korruption.

Starke Zivilgesellschaft im Fadenkreuz der Regierung

Die Zivilgesellschaft in Slowenien wir angesichts des Angriffs der Regierenden immer lebendiger. Kaum einer verkörpert das mehr als Jaša Jenull. Der junge Theaterdirektor hat die Fahrrad-Proteste gegen die übergriffige Jansa-Regierung organisiert. Bis zu 40.000 Menschen konnte er in dem 2,5 Millionen-Einwohner-Land mobilisieren. Mit kreativen Aktionen zeigen sie auf, wo und wie Regierung und Sicherheitsbehörden Grundrechte und Freiheiten beschneiden . Er erzählt uns, wie Janša immer erbitterter gegen ihn vorgeht. Für seine Protestaktionen bekam er zehntausende Euro Bußgelder aufgebrummt. Regierungsfreundliche Medien veröffentlichten seine Telefonnummer im Internet. Im Gespräch erzählte er uns, wie Janša seine Kritiker zu Feinden erklärt. Er sagt uns aber auch, dass Jansas Partei derzeit nicht die Macht hat, das Land in einen illiberalen Staat umzubauen. Beunruhigend sind seine Schilderungen jedoch allemal.

Daniel Freund, MdEP

Franziska Brantner, MdB

Sergey Lagodinsky, MdEP