Von der Leyen verspricht: Keine Corona-Gelder an Polen ohne Justizreform
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat in einem Brief an die Fraktionsspitzen des Europaparlaments bekräftigt, dass die Wiederaufbau-Gelder an Polen nur ausgezahlt werden, wenn die Bedingungen der EU-Kommission für eine Justizreform erfüllt sind.
Zuvor hatte es widersprüchliche Signale aus Warschau gegeben. Vergangene Woche hatte der polnische Premierminister Morawiecki angekündigt, Regierung und Kommission hätten eine Einigung über den polnischen Wiederaufbauplan gefunden. Eine Genehmigung des nationalen Aufbauplans ist Voraussetzung für die Auszahlung der insgesamt 23,9 Milliarden Euro an Zuschüssen und 12,1 Milliarden Euro an Darlehen an Polen aus dem Fonds.
Das Wichtigste im Überblick:
Was ist genau passiert?
Die Kommission hatte die Absegnung des polnischen und ungarischen Plans zuletzt wegen der systematischen Untergrabung des Rechtsstaats in beiden Mitgliedstaaten auf Eis gelegt. Immer wieder gab es jedoch Berichte, wonach Kommission und polnische Regierung weiterhin mit Hochdruck an darauf hinarbeiten würden, den polnischen Plan genehmigungsfähig zu machen. Laut der Tageszeitung Polska Times hatte Premierminister Morawiecki vergangenen Sonntag (15. Mai) angekündigt, dass ein Konsens über alle im Plan vereinbarten Meilensteine für die Auszahlung der Gelder gefunden worden sei. Von Seiten der Kommission hieß es vergangene Woche nur, man “finalisiere” momentan den Plan.
Welche Bedingungen hatte die Kommission für die Genehmigung gestellt, und wurden diese erfüllt?
Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte im Oktober 2021 angekündigt, die Hilfsgelder an Polen würden unter drei Bedingungen ausgezahlt: 1) die Abschaffung der Disziplinarkammer, 2) die Abschaffung des Disziplinarregimes für Richter*innen, und 3) die Wiedereinstellung der unrechtmäßig entlassenen Richter*innen. Keine dieser drei Bedingungen wurde bisher erfüllt. Dem polnischen Parlament liegen zwar mehrere Gesetzentwürfe zur Reform der Disziplinarkammer vor. Diese sehen aber lediglich Schönheitskorrekturen an der Kammer vor. Selbst bei Erfüllung aller drei Bedingungen wäre aber die Unabhängigkeit der polnischen Justiz noch nicht wieder hergestellt. Hierfür bräuchte es eine Reform weiterer Institutionen, darunter des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichtshofs und des nationalen Rates für das Justizwesen – einem Gremium unter Regierungskontrolle, das für die Auswahl von Richter*innen zuständig ist.
Welche Schritte folgen nun?
Sollte es tatsächlich wie von Premierminister Morawiecki angekündigt eine Einigung über den Plan geben, muss dieser zunächst offiziell von der Kommission genehmigt werden. Anschließend hat der Rat (in ECOFIN Konfiguration) vier Wochen Zeit, um den Plan mit qualifizierter Mehrheit zu verabschieden.
Werden also bald Gelder fließen?
Eine Genehmigung des Plans hätte keine automatische Auszahlung der Gelder zur Folge. In allen Wiederaufbauplänen sind Meilensteine verankert, die auf den jeweiligen Mitgliedstaat zugeschnitten sind. Erst sobald ein Meilenstein erfüllt ist, überweist die EU die jeweilige Geldtranche. Laut von der Leyen werden sich eine Reihe der Meilensteine auf das Disziplinarregime für Richter*innen beziehen und vor allem die drei im Oktober 2021 in diesem Zusammenhang genannten Konditionen umfassen. Es ist zu hoffen, dass für eine Umsetzung der Meilensteine konkrete Reformen notwendig sind, und die Kommission sich hier nicht mit Versprechungen zufrieden gibt.
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Terry Reintke, stellv. Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament und Berichterstatterin des Jährlichen Rechtstaatsberichts kommentiert:
„Das Katz- und Mausspiel, das Polen hier betreibt, muss endlich ein Ende haben. Es ist der EU nicht würdig, und es ist ein Spiel mit dem Feuer. Polen muss jetzt glaubwürdig die Unabhängigkeit seines Justizsystems wiederherstellen. Solange dies nicht der Fall ist, dürfen keine Wiederaufbaugelder aus der EU nach Polen fließen.“
Daniel Freund, Grünes Mitglied im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments, kommentiert:
„Polens Justizminister Ziobro hat der russischen Invasion in der Ukraine die Attacken auf die unabhängige Justiz beschleunigt und intensiviert. Es ist wichtig, dass sich Ursula von der Leyen von den angekündigten Scheinreformen nicht blenden lässt. Die Corona-Hilfen dürfen nur dann ausgezahlt werden, wenn Polens Gerichte unabhängig funktionieren. Es liegt an der Regierung in Warschau, das umzusetzen.“