Daniel Freund

19. November 2021 Antikorruption

Keine Strafen für Masken-Dealer: Nüßlein und Sauter dürfen Millionen-Honorare behalten - Anpassung des Strafrechts nötig!

Das Oberlandesgericht in München hat heute (18.11.) festgestellt, dass die Masken-Deals der CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein kein strafbares Verhalten waren. Der Bundestagsabgeordnete Nüßlein hatte während der Corona-Pandemie – unter Ausnutzung seines Mandats – Maskengeschäfte für den Bund vermittelt und dafür 660.000 Euro Provisionen kassiert. Für ähnliche Geschäfte auf Landesebene erhielt der ehemalige CSU-Justizminister Sauter sogar 1,2 Millionen Euro. Beide dürften damit ihre Masken-Provisionen auch behalten können.

Beide standen im Verdacht der Bestechlichkeit. Diesen hat das Oberlandesgericht entkräftet, weil der entsprechende Paragraph im Strafgesetzbuch (§108e) keinen Gesetzesverstoß sieht, wenn ein Abgeordneter sein Mandat und seine Kontakte nutzt “um Entscheidungen von außerparlamentarischen Stellen, z.B. Behörden und Ministerien, zu beeinflussen.“ Kurz gesagt: Bestechlichkeit liegt nur dann vor, wenn sie sich auf das Abstimmverhalten der Abgeordneten auswirkt.

Die Entscheidung der Richter in München dürfte eine neue Debatte über die gesetzliche Regelung des Straftatbestandes der Bestechlichkeit entfachen.

Daniel Freund, Vorsitzender der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe “Anti-Korruption” im Europaparlament, kommentiert:

“Sauter und Nüßlein haben sich in einer Krise auf Kosten des Gemeinwohls bereichert und dafür ihre Mandate ausgenutzt. Es ist unerträglich, dass hier kein strafbares Handeln vorliegen soll. Wenn die bestehenden Gesetze diese Vergehen nicht erfassen, müssen sie schleunigst angepasst werden. Es kann nicht sein, dass demokratisch gewählte Abgeordnete ihr Mandat dafür missbrauchen, um sich mit Steuergeldern zu bereichern. Die Masken-Affäre hat viel Bürger*innen-Vertrauen in demokratische Politik zerstört. Hier müssen wir gegensteuern und deutlich machen: Wer sein Mandat missbraucht, macht sich strafbar!

Vorstöße von CDU/CSU und SPD nach dem Maskenskandal, das Strafmaß für Abgeordnetenbestechung zu erhöhen, gehen am Problem vorbei. Das Urteil zeigt, dass die einhellige Experten-Kritik am Gesetz während seiner Entstehung berechtigt war: das Strafrecht für Abgeordnetenbestechlichkeit greift selbst bei offensichtlichen Fällen nicht, weil die Definition zu eng und die Beweishürden unrealistisch hoch liegen, auch im internationalen Vergleich.”
Paragraph 108e im Strafgesetzbuch

§ 108e Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern

(1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Aus der Bründung des Oberlandesgerichts in München

„Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers macht sich dagegen ein Mandatsträger durch die Annahme von unberechtigten Vermögensvorteilen nicht strafbar, wenn er – wie vorliegend geschehen – lediglich die Autorität seines Mandats oder seine Kontakte nutzt, um Entscheidungen von außerparlamentarischen Stellen, z.B. Behörden und Ministerien, zu beeinflussen.“

https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/oberlandesgerichte/muenchen/presse/2021/31.php

Grünes Wahlprogramm 2021

“Unabhängige Kontrolle stärkt die Transparenz und Integrität. Zur wirkungsvollen Bekämpfung von Korruptionsfällen braucht es eine Neufassung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung und eine Überarbeitung der Beweisanforderungen.”

Seite 176: https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wahlprogramm-DIE-GRUENEN-Bundestagswahl-2021_barrierefrei.pdf

Vorstöße von CDU/CSU und SPD nach dem Maskenskandal, das Strafmaß für Abgeordnetenbestechung zu erhöhen, gehen am Problem vorbei. Das Urteil zeigt, dass die einhellige Experten-Kritik am Gesetz während seiner Entstehung berechtigt war: das Strafrecht für Abgeordnetenbestechlichkeit greift selbst bei offensichtlichen Fällen nicht, weil die Definition zu eng und die Beweishürden unrealistisch hoch liegen, auch im internationalen Vergleich.