Katar-Gate: Mehrheit für Vermögenserklärungen, Schlupflöcher bleiben
Der Verfassungsausschuss hat heute über die Reform der Geschäftsordnung des Europaparlaments abgestimmt. Diese regelt das Verhalten der Abgeordneten und ist damit einer der zentralen Orte für Korruptionsprävention und die Vermeidung unzulässiger Einflussnahme auf die Europäische Politik. In der Abstimmung gab es eine Mehrheit für mehr Transparenz bei Lobbytreffen und für die Offenlegung von Vermögenswerten der Abgeordneten. Ich hatte Vermögenserklärungen in den Wochen nach dem Katargate-Skandal vorgeschlagen, Unterschriften für den Änderungsantrag gesammelt und jetzt hat der Ausschuss dies beschlossen. Andere wirkungsvolle Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten wurden aber abgelehnt. Die Abstimmung betraf die Hälfte der 14-Punkte-Reformversprechen von Präsidentin Roberta Metsola (EVP). Der Bericht erhielt 15 Stimmen von (S&D, Renew, Grüne, Linke). Christdemokraten, sowie die Rechtsaußen-Fraktionen EKR und ID stimmten dagegen (10 nein, 1 Enthaltung).
Daniel Freund, für die Grünen im Verfassungsausschuss des Europaparlaments, kommentiert:
“Mit diesen Reformen wird die Lobbytransparenz in Brüssel verbessert. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Lobbytreffen wird ausgeweitet. Einflussnahme von Drittstaaten soll endlich transparent werden. Ein großer grüner und persönlicher Erfolg ist die Einführung von Vermögenserklärungen der Abgeordneten. Sollten Abgeordnete im Laufe des Mandats Vermögensgewinne erlangen, müsste dies künftig dem Parlament gemeldet werden. Dafür hatte ich einen Vorschlag eingebracht, Unterschriften gesammelt und jetzt die Mehrheit gewonnen.”
“Dass die Christdemokraten (EVP inkl. CDU) heute gemeinsam mit den Rechtsaußen-Fraktionen gegen den gesamten Bericht gestimmt haben, sendet das völlig falsche Signal an die Wählerinnen und Wähler. Wir müssen als Parlament durch konsequente Reformen klar machen, dass wir nach Katargate das Vertrauen der Wählerinnen und Wählern gewinnen können.”
“Bessere Regeln allein schaffen noch keine Lobbytransparenz. Sie müssen auch kontrolliert und durchgesetzt werden. Das Fehlen einer unabhängigen Kontroll-Instanz hat maßgeblich zum Entstehen des Katar-Gate-Komplexes beigetragen. Hier müssen die EU-Institution schnellstmöglich nachbessern und endlich ein unabhängiges Kontrollgremium auf den Weg bringen. Werden die neuen Regeln nicht kontrolliert und durchgesetzt, sind sie wertlos.”
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Erfolg I: Mehr Lobbytransparenz: Bislang waren nur die Abgeordneten, die an EU-Gesetzen direkt mitgewirkt haben (als Berichterstatter, Schatten oder Ausschussvorsitzende), verpflichtet, ihre Treffen mit Lobbyisten offenzulegen. Diese Regel wird nun auf alle MdEP und alle Treffen, die parlamentarische Angelegenheiten betreffen, ausgeweitet. Auch Treffen mit Vertretern von Drittstaaten (wie Katar) und Treffen durch Mitarbeiter der Abgeordneten sind nun eingeschlossen.
Erfolg II: Vermögenserklärungen: Bislang sind die Abgeordneten nur verpflichtet, ihre Nebeneinkünfte anzugeben. Nun sind alle Abgeordneten auch verpflichtet, ihr Vermögen offenzulegen. Eine Zunahme des Vermögens über das angegebene Einkommen hinaus kann helfen, Korruption aufzudecken. Die Verwendung von Bestechungsgeldern wird dadurch sehr viel schwieriger. Dieser Erfolg eines grünen Änderungsantrags ist die größte Ergänzung zu den 14 Punkten.
Erfolg III: Mehr mögliche Sanktionen: Bislang war es nicht möglich, Abgeordnete für nicht deklarierte Lobbytreffen zu sanktionieren. Nun kann der Beratende Ausschuss auch für nicht deklarierte Treffen und nicht deklarierte finanzielle Unterstützung für informelle Gruppierungen wie „Freundschaftsgruppen“ von Abgeordneten für dubiose Drittländer Sanktionen empfehlen und die Präsidentin kann sie verhängen.
Kein hartes Verbot von Lobbyarbeit, keine Erwähnung von Kunden: Die derzeitigen Regeln verbieten bezahlte Lobbyarbeit als Nebenjob für MdEP, aber zahlreiche MdEP geben an, als Berater für ungenannte Kunden tätig zu sein und haben keine Probleme. Ein Änderungsantrag der Grünen, das Verbot auf alle bezahlten Tätigkeiten für Organisationen oder Einzelpersonen, die auch Lobbyarbeit betreiben, auszuweiten, wurde abgelehnt. Auch ein Änderungsantrag, der klarstellen sollte, dass die Kunden, für die die Abgeordneten arbeiten, genannt werden müssen, wurde abgelehnt, so dass es nahezu unmöglich ist, zu beurteilen, ob eine Nebentätigkeit zu einem Interessenkonflikt führt oder nicht. Eva Kaili hätte die vermuteten Zahlungen so leicht im Rahmen der bisher schwachen Regeln emfangen können ohne die Geldquelle angeben zu müssen.
Neue externe Sachverständige, aber kein Biss für den Beratenden Ausschuss: Zusätzlich zu den derzeitigen 5 Abgeordneten, die im Beratenden Ausschuss mutmaßliche Verstöße gegen die Regeln beurteilen, sollen nun 3 unabhängige Experten zusätzlich vom Präsidenten ernannt werden. Doch die Experten werden vom Präsidenten handverlesen und nicht wie der EU-Bürgerbeauftragte vom Plenum gewählt. Alle Vorstöße der Grünen, die Empfehlungen genauso öffentlich zu machen wie die der Ethikkommission oder eine Frist für die oft verzögerten Entscheidungen zu setzen, wurden abgelehnt.
14 Punkte Reformplan von Roberta Metsola und den Fraktionsvorsitzenden: https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20230208IPR72802/group-leaders-endorse-first-steps-of-parliamentary-reform
Bessere Regeln allein schaffen noch keine Lobbytransparenz. Sie müssen auch kontrolliert und durchgesetzt werden.