Daniel Freund

3. Juli 2020 Antikorruption

Ergebnis meiner Ungarn-Reise: Kein zusätzliches EU-Geld für Orban ohne Kontrolle!

Wie steht es um die Demokratie in Ungarn nach den Notstandsgesetzen? In welchem Umfang verschwinden EU-Gelder in Ungarn in den Taschen von korrupten Möchtegern-Autokraten? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, bin ich in den vergangenen Tagen durch Ungarn gereist. Mit Journalist*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen habe ich mich über deren Arbeit und die korrupten Praktiken des Orban-Regimes ausgetauscht.

Die Erkenntnisse haben mich schockiert

Beobachter und Betroffene sind sich in ihrer Einschätzung einig: Seit dem Amtsantritt der Orban-Regierung im Jahr 2010 wurden die EU-Zahlungen an das Land regelrecht geplündert. Die Überweisungen aus Brüssel wurden genutzt, um die eigene Machtstellung zu zementieren und massiv Gelder in die eigenen Taschen zu stecken. Dafür werden ausgeklügelte Firmen-Konstrukte genutzt, öffentliche Ausschreibungen werden systematisch manipuliert. Kritiker*innen und Whistleblower*innen werden mit Mafia-Methoden eingeschüchtert, bestraft und zum Schweigen gebracht. Im Land herrscht eine Mischung aus Angst und Apathie.

Das System Orban hat den ungarischen Staat und die Wirtschaft unterwandert. Ungarische und Europäische Gelder werden systematisch geklaut. Orbans Familie und engste Freunde wurden in kürzester Zeit unfassbar reich.

Keine neuen EU-Gelder ohne Kontrolle

Die Europäische Union verhandelt aktuell den größten EU-Haushalt überhaupt und schnürt mit Wiederaufbau-Fonds ein Milliardenpaket, um den Folgen der Corona-Krise zu begegnen. Würde die EU diese Hilfsgelder an die Regierung in Budapest überweisen, würde davon wenig bei denen ankommen, die in dieser Krise Hilfe und Unterstützung benötigen.

Die Corona-Krisen-Gelder dürfen aber auf keinen Fall Orbans Vater, seine Tochter, seine Schulfreunde noch reicher machen. Sie dürfen nicht in völlig sinnloses Projekten verschwinden, wie die, die ich in den letzten Tagen in Orbans Geburtsort gesehen habe: die Orban-Bahn ins Nirgendwo, das Geisterstadion oder der königliche Landsitz/Golfplatz der jetzt Orbans Vater gehört.

Um dem Missbrauch von EU-Geldern aufzudecken, ist nach jahrelangen Verhandlungen die Europäische Staatsanwaltschaft ins Leben gerufen worden. Ungarn ist bisher nicht beigetreten. Meine Erfahrungen der letzten Tage haben mir noch mal deutlich gemacht: Ohne eine Europäische Staatsanwaltschaft, ohne unabhängige Kontrollen kommen EU Gelder in Ungarn nicht bei der Bevölkerung an. Ich werde daher im Europäischen Parlament fordern: keine neuen EU-Gelder und keine Zahlungen aus dem Rettungsschirm, wenn Ungarn nicht der EU Staatsanwaltschaft beitritt.

Deutschland hat den Schutz der Rechtsstaatlichkeit zu einer der Prioritäten der Ratspräsidentschaft gemacht. Diesen Ankündigungen müssen nun Taten folgen. Wir brauchen wirksamen Druck auf das System Orban, um der ungarischen Demokratie eine Chance zu geben. Weitere Milliardenzahlungen an Kleptokraten hingegen machen die Situation vor Ort nur noch schlimmer.

Keine neuen EU-Gelder und keine Zahlungen aus dem Rettungsschirm, wenn Ungarn nicht der EU Staatsanwaltschaft beitritt.

Online-Diskussion mit der EU Staatsanwältin

Nach meinen Reisen nach Tschechien und Ungarn werde ich mich am kommenden Dienstag um 18 Uhr mit den Handlungsmöglichkeiten der EU auseinandersetzen. Zusammen mit der Europäischen Staatsanwältin Laura Kövesi, der Ungarn-Korrespondentin der Financial Times Valerie Hopkins und dem tschechischen Senator Lukas Wagenknecht diskutiere ich die Frage: “Korruption in Europa: Der Missbrauch von EU-Geldern und die Gefahren für den Rechtsstaat”. Meldet Euch gerne an und diskutiert mit uns. Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.