Daniel Freund

18. Februar 2022 Antikorruption

Bericht aus Ungarn: Wie sich Orban an die Macht klammert

Ungarns Premier Viktor Orban hat in Ungarn ein umfassendes System zum Machterhalt installiert. Das Wahlsystem wurde über Jahre zu seinen Gunsten umgebaut. Opposition und Zivilgesellschaft wünschen sich ein schnelles Vorgehen der EU gegen Korruption und Rechtsstaatsverstöße. Das sind die Haupterkenntnisse der Gespräche, die ich in den vergangenen zwei Tagen in Ungarn geführt habe.

Am Mittwoch hat der Europäische Gerichtshof die Klagen von Ungarn und Polen gegen den Rechtsstaatsmechanismus abgewiesen. Die Verknüpfung von EU-Geldern mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien ist damit rechtens. Ich bin nach dem Urteil mit meiner Kollegin Tineke Strik (von den Grünen in den Niederlanden) nach Budapest gereist, um mehr darüber herauszufinden, wie die Ungar*innen zu möglichen Finanzsanktionen gegen die Orban-Regierung stehen. Wir haben uns ausgetauscht mit Vertreter*innen aus Politik, Medien, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. 

Das Urteil des EUGH fällt auch mitten in den ungarischen Wahlkampf. Am 3. April wird ein neues Parlament gewählt. Opposition und Orban liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Die Haupterkenntnisse:

Orbans fester Griff an den Machthebeln: Viktor Orban hat für den Fall einer möglichen Wahlniederlage vorgesorgt. Zahlreiche Posten in Behörden und Regierung wurden mit Vertrauten besetzt, deren Amtszeit deutlich über das Wahldatum hinausgeht. Auch wenn das breite Oppositionsbündnis die Wahlen gewinnen sollte, werden sie zentrale Schaltstellen der Macht nicht kontrollieren können. Hinzu kommt dass zahlreiche Gesetze nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden können. Die dürften weder Orbans Fidesz-Partei, noch die Opposition erreichen. Es wird folglich schwierig, die nötigen Mehrheiten zu organisieren, um den Rechtsstaat zu reparieren. Viktor Orban hat dafür gesorgt, dass sein System auf absehbare Zeit in kraft bleibt.

Manipulation der Wahlen: Die Mehrheit meiner Gesprächspartner*innen ist sich einig. Offensichtliche Wahlmanipulationen wie in Russland, wo stapelweise gefälschte Wahlzettel in den Wahlurnen landeten, wird es in Ungarn nicht geben. Der Regierungseinfluss auf den Wahlausgang ist laut Aussage vieler deutlich perfider organisiert: So wurden Wahlkreise zugeschnitten, sodass dies ausschließlich den Kandidat*innen der Regierungspartei nützt. Eine ausgewogene Berichterstattung in den Medien gibt es de facto auch nicht mehr, weil ein Großteil von TV und Printmedien die Regierungslinie propagiert. Diese Ungleichheit spiegelt sich auch in den Ressourcen wieder, die Regierung und Opposition für den Wahlkampf zur Verfügung stehen.

Ruf nach Hilfe aus Brüssel: Eine Frage begegnete mir in den vergangenen zwei Tage sehr häufig: Wann endlich reagiert Brüssel und lässt auf den Rechtsstaatsabbau und die Korruption der Orban-Regierung Konsequenzen folgen? Viele sagen mir deutlich, dass sie sich ein entschiedenes Vorgehen der EU-Kommission wünschen – auch wenn dies mittelfristig bedeuten würde, dass EU-Gelder an die Orban-Regierung eingefroren werden. Weiter tatenlos zuzuschauen, so erzählen es mir viele, würde das korrupte System weiter zementieren.

***Wir fordern von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU): Kein EU-Geld für korrupte Autokraten, die den Rechtsstaat untergraben! Unterstützt uns mit Eurer Unterschrift bei dieser Petition an die EU-Kommission und teilt den Link ***

Opposition und Zivilgesellschaft wünschen sich ein schnelles Vorgehen der EU gegen Korruption und Rechtsstaatsverstöße.