Durchbruch für unabhängige Lobbykontrolle: EU-Institutionen einigen sich auf Ethik-Gremium
Sieben EU-Institutionen haben sich heute (Donnerstag 14 März) auf ein neues Gremium zur Stärkung der Transparenz und der Integrität der EU-Institutionen geeinigt. Diesem “Ethik-Gremium” sollen neben dem Europaparlament und der EU-Kommission auch fast alle weiteren EU-Institutionen beitreten. (Lediglich der Europäische Rat wird sicher nicht, Rat wahrscheinlich aktuell nicht teilnehmen.) Damit verfügen diese Institution erstmals überhaupt über eine unabhängige Kontrolle von Lobby- und Antikorruptionsregeln. Der Berichtsentwurf dazu wurde 2021 im Europaparlament verabschiedet. Der folgende Kommissionsvorschlag sah nur das Setzen gemeinsamer Mindeststandards vor. In den jetzt abgeschlossenen Verhandlungen konnten wir als Verhandler*innen des Europaparlaments durchsetzen, dass das neue Gremium sich dezidiert auch mit Einzelfällen befassen kann.
Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin und Verhandlungsführerin des Europaparlaments für ein unabhängiges EU-Ethikgremium, kommentiert:
„Das Ethik-Gremium ist ein großer Schritt nach vorn für Transparenz und Offenheit in Europa. Wir stellen die Interessen der Bürger*innen in den Vordergrund und stellen sicher, dass die EU-Institutionen sich an die höchsten ethischen Standards halten. Ich bin stolz darauf, dass dieser Durchbruch durch das unermüdliche Engagement des Parlaments im Dienste der Europäer*innen ermöglicht wurde. Mit diesem neuen Gremium verdeutlichen wir unser Engagement für Fairness und Zuverlässigkeit in der gesamten EU.“
Daniel Freund (Grüne), Verhandlungsführer des Europaparlaments für ein unabhängiges EU-Ethikgremium, kommentiert:
„Wir feiern heute einen großen Erfolg für die Transparenz und die Integrität der EU-Institutionen. Viel zu lange wurden Verstöße gegen die relativ guten Lobbyregeln in Brüssel nicht sanktioniert. Die Abwesenheit unabhängiger Kontrolle hat eine Kultur der Straflosigkeit gedeihen lassen, deren extreme Auswüchse im Korruptionsskandal “Katargate” mündeten. Wir schaffen jetzt erstmals ein Gremium, das die Integrität sowohl von EU-Kommissaren als auch Abgeordneten überwacht. Ohne den unermüdlichen Einsatz des Europaparlaments für mehr Transparenz wäre es nicht so weit gekommen. Dass sich das neue Gremium dezidiert auch mit Einzelfällen auseinandersetzen kann, ist ein enormer Verhandlungserfolg. Wir schaffen heute mehr Transparenz und legen damit die Grundlage für mehr Bürgervertrauen in die Europäische Demokratie.”
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KERN-ELEMENTE des EU-Ethikgremiums
Vertreter der Institutionen setzen gemeinsame Standards: Je ein*e Vertreter*in pro Institution oder beratender Ausschuss (der Body) verhandeln und beschließen gemeinsame Mindest-Standards zu Interessenerklärungen, Nebentätigkeiten, Geschenken, Anschlussjobs (Drehtüren), Lobbytreffen, der Durchsetzung von Regeln in den Institutionen. Die teilnehmenden Institutionen müssen ihre Regeln anpassen. Der Body veröffentlicht seine Prüfung der internen Regeln der Institutionen.
Unabhängige Expert*innen prüfen Einzelfälle: Die Institutionenvertreter*innen ernennen im Konsens fünf unabhängige Expert*innen. Sie prüfen eigenständig Einzelfälle, die dieInstitutionen ihnen überweisen – zu Interessenerklärungen oder “anderen schriftlichen standardisierten Erklärungen”, was im Parlament auch Lobbytreffen, Einladungen durch Dritte und mehr einschließt. Die Expert*innen schicken ihre Empfehlungen an die Institution, die dann über mögliche Sanktionen entscheidet. Die Expert*innen berichten jährlich, wie viel sie in Anspruch genommen wurden und was Institutionen aus ihren Empfehlungen gemacht haben.
Vertragsparteien sind (1) das Europäische Parlament, (2) die Europäische Kommission, (3) der Gerichtshof der Europäischen Union (als Beobachter ohne Teilnahme an Entscheidungen), (4) die Europäische Zentralbank, (5) der Rechnungshof, (6) der Wirtschafts- und Sozialausschuss und (7) der Ausschuss der Regionen. Der Europäische Rat, konkret Ratspräsident Charles Michel, hatte vor dem letzten politischen Treffen seine Teilnahme abgesagt. Der (Minister-)Rat möchte zwar Vertragspartei sein, wäre aber nicht bereit die Mindeststandards für die Minister als Mitglieder des Rates gelten zu lassen oder auf eine Veto für gemeinsame Standards zu verzichten. Solange dieses Problem nicht gelöst ist, nimmt er nicht teil. Die Europäische Investitionsbank kann sich als Vertragspartei anschließen, EU-Agenturen können die Mindeststandards auch für sich übernehmen.
NÄCHSTE SCHRITTE: Heute (Donnerstag) haben die EP-Fraktionsvorsitzenden die politischen Einigung der Verhandler*innen bestätigt. Als nächstes schreibt der Verfassungsausschuss (AFCO) dazu einen Bericht, wahrscheinlich ab 20. März. Voraussichtlich stimmt das Plenum über den Bericht 22-25 April als eine der letzten Abstimmungen dieser Legislatur ab. Nach einer Unterschrift der EP-Präsidentin im Mai könnte die Einigung dann ab Juni in Kraft treten. Sobald die 8 Repräsentant*innen der EU-Institutionen entsandt sind, müssen sie sich auf 5 unabhängige Expert*innen einigen. Ab deren Ernennung ist das EU-Ethik-Gremium einsatzbereit. Wir konnten durchsetzen, dass die Experten erste Interessenerklärungen oder andere Fälle auch gegen die internen Regeln der Institutionen prüfen können und nicht auf die Verabschiedung gemeinsamer Mindeststandards warten müssen.
Wir feiern heute einen großen Erfolg für die Transparenz und die Integrität der EU-Institutionen. Viel zu lange wurden Verstöße gegen die relativ guten Lobbyregeln in Brüssel nicht sanktioniert.