Daniel Freund

31. Mai 2023 Antikorruption

Europaparlament stellt ungarische Ratspräsidentschaft 2024 in Frage

Das Europäische Parlament wird in dieser Woche (Donnerstag) eine ungarische EU-Ratspräsidentschaft unter den gegenwärtigen Umständen für inakzeptabel erklären. Eine breite Mehrheit für den gemeinsamen Resolutionsentwurf von 5 Fraktionen gilt als gewiss. Die ungarische Regierung soll planmäßig ab dem 1. Juli 2024 für sechs Monate den Vorsitz im Ministerrat übernehmen. Damit wäre Orbans Regierung in diesen Monaten verantwortlich für die Organisation und Leitung von allen Verhandlungen unter den Mitgliedstaaten auf EU-Ebene. Erst vor wenigen Monaten hatte das Europaparlament in einer Resolution festgestellt, dass Ungarn aufgrund der systematischen Rechtsstaats- und Demokratieverstöße nicht mehr als Demokratie einzustufen ist.

Daniel Freund, Grüner Verhandler für den Rechtsstaatsmechanismus im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments, kommentiert:

“Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Autokrat an der Spitze der EU stehen wird. Unter Premier Viktor Orban ist Ungarn zum ersten nicht-demokratischen Land der EU geworden. Es kann nicht sein, dass diese Regierung, die zuhause nur per Dekret ohne das Parlament regiert, jetzt massiven Einfluss auf Europäische Gesetzgebung bekommt. Es ist klar: Wir dürfen mit Autokraten keine EU-Gesetze verhandeln. Unser Aufruf an die Mitgliedsstaaten ist klar: Ihr habt jetzt ein Jahr, dieses Problem zu lösen. Unter den aktuellen Umständen ist es nicht akzeptabel, dass eine Regierung an der Spitze der EU steht, gegen die ein Verfahren wegen Verstoß gegen Grundwerte läuft und wo zum ersten Mal massiv EU Gelder wegen Korruption eingefroren sind. Eine ungarische Ratspräsidentschaft würde de facto einen sechsmonatigen politischen Stillstand in Europa bedeuten. Das können wir uns angesichts der aktuellen Bedrohungen schlichtweg nicht leisten.”

Weitere Kernpunkte der Resolution:

  • Kriterien zur Freigabe von EU Geldern nicht erfüllt: Die Resolution hält fest, dass die ungarische Regierung momentan weder die Kriterien zur Freigabe der wegen Rechtsstaats- und Grundrechtsbedenken eingefrorenen Gelder aus dem Corona-Wiederaufbaufonds, dem Rechtsstaatsverfahren oder der EU Dachverordnung (‘Common Provisions Regulation’) erfüllt. Dementsprechend wird die EU Kommission aufgefordert, die bisher eingefrorenen 27,7 Milliarden Euro weiter zurückzuhalten und auch nur freizugeben, wenn alle Bedingungen aus allen drei Verfahren erfüllt sind.
  • Einleitung eines weiteren Konditionalitätsverfahrens nötig: Das Parlament fordert die EU Kommission zudem auf, ein zusätzliches Rechtsstaatsverfahren auf Basis der Verstöße gegen die Unabhängigkeit der Justiz einzuleiten, die im bisherigen Verfahren nicht thematisiert werden. Sollte dieses zweite Verfahren zum Abschluss kommen, würde damit wahrscheinlich das Einfrieren weiterer Gelder einhergehen.
  • Rüge an die EU Kommission für Hinterzimmerdeals mit ungarischer Regierung: Mehrere Medien hatten in den letzten Monaten vermehrt berichtet, dass die EU Kommission die von der ungarischen Regierung geplante Justizreform informell abgesegnet und damit eine Freigabe eines Teils der eingefrorenen Gelder versprochen zu haben scheint. Das Parlament kritisiert die Kommission nun scharf für dieses Vorgehen, zumal Expert*innen vor Ort die geplante Justizreform für unzureichend ansehen, um die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen.
  • Verurteilung der Drangsalierung von ausländischen Unternehmen in Ungarn durch die Regierung: In der Resolution hält das Parlament darüber hinaus zum ersten mal fest und kritisiert scharf, dass die ungarische Regierung ausländische Unternehmen im Land drangsaliert und mit erpresserischen Methoden zum Verkauf ihres Ungarn-Geschäfts zwingt. 

Vollständiger Text der Resolution:

https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2023-0257_EN.pdf

Eine ungarische Ratspräsidentschaft würde de facto einen sechsmonatigen politischen Stillstand in Europa bedeuten.

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Korruption ist eine der größten Bedrohungen für unsere Demokratie. Autokratische Regierungen missbrauchen EU-Milliarden, um ihre Macht zu festigen, freie Medien aufzukaufen oder schlicht, um sich selbst zu bereichern. Die EU-Kommission verkennt die Gefahr und agiert fahrlässig. Ich setze mich entschieden dafür ein, dass Autokraten in Europa die EU-Gelder gestrichen und unsere Werte verteidigt werden.