Daniel Freund

11. September 2022 Antikorruption

Rechtsstaat: EU-Kommission schlägt Kürzung der Zahlungen an Ungarn vor

Die EU-Kommission will aufgrund von Rechtsstaatsverstößen 70 Prozent der Gelder aus drei operationellen Programmen an Ungarn einfrieren. Außerdem sollen keine Gelder mehr an die sogenannten „Public Interest Foundations“ in Ungarn fließen, die de facto unter der Kontrolle von Premierminister Viktor Orban und seinen Alliierten stehen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das Budget-Kommissar Johannes Hahn bereits am 20. Juli 2022 an die Kommission verschickte. Groben Schätzungen nach würde dies Kürzungen von 20% der gesamten EU Zahlungen an Ungarn entsprechen. Laut unseren Informationen wurden die Empfehlungen so von der EU-Kommission angenommen und an die ungarische Regierung übermittelt. Der nächste Schritt der sogenannten Rechtsstaatskonditionalität wäre den Vorschlag dem Rat vorzulegen, der das einfrieren mit qualifizierter Mehrheit beschließen müsste. 

Ein unabhängiges Rechtsgutachten im Auftrag der Grünen-Fraktion im Europaparlament war im Juli 2022 zu dem Schluss gekommen, dass einzig eine 100-prozentige Suspendierung der EU-Zahlungen an Ungarn eine adäquate Maßnahme angesichts der dortigen Rechtsstaatsverstöße ist.

Daniel Freund, Berichterstatter der Grünen für den Rechtsstaatsmechanismus im Haushaltskontrollausschuss, kommentiert:

„Es ist richtig, dass die Kommission endlich handelt und Gelder einfrieren will. Gelder in dieser Größenordnung zurückzuhalten, würde in der aktuellen wirtschaftlichen Lage mittelfristig sicher einen Effekt haben. Allerdings wären weiterhin viele EU Milliarden der systematischen Korruption des Orban Systems ausgesetzt und würden zu erheblichen Teilen nicht dort angekommen, wo sie hinsollen. Vor allem ist unverständlich, dass die Kommission die für Orban so lukrativen Agrarsubventionen weiterhin vollständig auszahlen will.” 

“Um die systematische Korruption und den Rechtsstaatsabbau in Ungarn wirklich ernsthaft zu bekämpfen, bräuchte es mehr Druck. Die EU-Kommission darf sich jetzt nicht von Scheinreformen blenden lassen. Orban macht Vorschläge, die ihm weiter EU-Gelder sichern, ohne die systematische Korruption seiner Freunde und Familie wirklich zu beenden. Das Ziel muss die Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaat in Ungarn sein. Wenn es um die Verteidigung Europäischer Grundwerte geht, darf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen keine faulen Kompromisse machen!“

Schreiben des Budget-Kommissars Johannes Hahn an die EU-Kommission:

https://ec.europa.eu/transparency/documents-register/detail?ref=C(2022)5313&lang=en

Rechtsgutachten zur Höhe der Budgetkürzungen an Ungarn:

https://danielfreund.eu/wp-content/uploads/2022/07/100-suspension-Hungary.pdf

Berechnung des Anteils der Kürzungen am Gesamtbudget

Wie viel Prozent der gesamten EU Zahlungen an Ungarn im aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) mit dem vorliegenden Vorschlag suspendiert würden, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht mit absoluter Genauigkeit zu sagen. Zum einen ist noch nicht bekannt, welches Budget die drei operationellen Programme im aktuellen MFR umfassen und wie viel Fördergeld an die sogenannten Public Interest Foundations fließen wird. Zum anderen ist auch die Höhe des Gesamtbudgets, das in den nächsten Jahren an Ungarn fließen wird, noch nicht bekannt. 

Unsere Berechnungen basieren daher auf der Annahme, dass die drei relevanten operationellen Programme in etwa mit demselben Budget ausgestattet werden wie im vorherigen MFR. Die Zahlungen an die Public Interest Foundations, die suspendiert würden, sind in der Rechnung nicht aufgeführt. Allerdings ist zu erwarten, dass diese hauptsächlich aus dem Horizon EU Fonds kommen, der nur einen Bruchteil des Gesamtbudgets ausmacht. Anstelle des Gesamtbudgets wurde mit den Geldern, die Ungarn aus der Kohäsionspolitik und den Agrarfonds bekommen wird, gerechnet. Diese stellen den Großteil der EU-Zahlungen an Ungarn dar.

Die EU-Kommission darf sich jetzt nicht von Scheinreformen blenden lassen.

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Korruption ist eine der größten Bedrohungen für unsere Demokratie. Autokratische Regierungen missbrauchen EU-Milliarden, um ihre Macht zu festigen, freie Medien aufzukaufen oder schlicht, um sich selbst zu bereichern. Die EU-Kommission verkennt die Gefahr und agiert fahrlässig. Ich setze mich entschieden dafür ein, dass Autokraten in Europa die EU-Gelder gestrichen und unsere Werte verteidigt werden.