EU-Kommission will EU-Gelder an Ungarn einfrieren: 7,5 Milliarden-Euro-Quittung für systematischen Demokratie-Abbau
Die ungarische Regierung hat ihre 17 Reformversprechen nicht zufriedenstellend umgesetzt. Zu dieser Schlussfolgerung kam die EU Kommission heute (Mittwoch) und empfiehlt damit dem Rat der Mitgliedstaaten, EU Gelder in Höhe von 7.5 Milliarden Euro einzufrieren. Die nun anstehende Abstimmung im Rat stellt den finalen Schritt im seit April 2022 laufenden Rechtsstaatsverfahren dar.
Gleichzeitig gab die Kommission heute grünes Licht für den ungarischen Wiederaufbauplan. Die bislang zurückgehaltenen Corona-Zahlungen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro aus Brüssel könnten damit bald in mehreren Tranchen nach Ungarn fließen, wenn entsprechende “Meilensteine” erfüllt sind. Im Falle von Ungarn verlangt die Kommission allerdings zunächst die vollständige Erfüllung von 27 sogenannten “Super-Meilensteinen”, bevor jegliche Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds freigegeben werden können. Als Teil dieser “Super-Meilensteine” müssen nicht nur die 17 Reformvorschläge aus dem Rechtsstaatsverfahren, sondern auch zusätzliche Reformen im Justizbereich umgesetzt werden.
Daniel Freund, Grüner Verhandler für den Rechtsstaatsmechanismus im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments, kommentiert:
“Die EU-Kommission greift endlich durch und macht klar: Wer die Demokratie zerstört, dem werden EU-Gelder gestrichen. Viktor Orban hat in den vergangenen Monaten keine Anstalten gemacht, von seinem Autokraten-Kurs abzurücken. Jetzt bekommt er für den systematischen Demokratie-Abbau der vergangenen zwölf Jahre die 7,5-Milliarden-Euro-Quittung aus Brüssel. EU-Geld darf jetzt erst wieder nach echten Reformen fließen – nicht bei leeren Versprechen. Das Einfrieren von 7,5 Milliarden Euro ist leider noch zu wenig angesichts der enormen Korruption in Ungarn. Das Europäische Parlament kämpft seit Jahren dafür, dass es keine EU-Gelder für Autokraten geben darf. Die heutige Entscheidung der EU-Kommission ist ein Teilerfolg für die Europäische Demokratie.”
Welche Gelder könnten Orban nun gekürzt werden?
Im Rahmen des Rechtsstaatsverfahrens droht Orban das Einfrieren von 65% der Gelder aus drei operationellen Programmen der EU-Kohäsionspolitik. Außerdem sollen keine EU Gelder mehr an die sogenannten “Public Interest Foundations”, die de facto unter der Kontrolle von Premier Viktor Orban und seinen Alliierten stehen, fließen. Insgesamt entspräche dies einem Betrag von rund 7.5 Milliarden Euro.
Im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds stehen Ungarn zusätzlich zum regulären Budget weitere 5,8 Milliarden Euro zu. Nur wenn entsprechende Meilensteine erfüllt sind, kann die ungarische Regierung diese Gelder freischalten.
Welche Reformen muss Ungarn nun zusätzlich zu den 17 Maßnahmen noch im Justizbereich erfüllen?
- Stärkung der Befugnisse des unabhängigen Nationalen Justizrates, um unzulässige Einflussnahme und Ermessensentscheidungen zu begrenzen und eine objektivere und transparentere Verwaltung der Gerichte zu gewährleisten;
- Reform der Arbeitsweise des Obersten Gerichtshofs, um die Gefahr politischer Einflussnahme zu verringern;
- Abschaffung der Rolle des Verfassungsgerichts bei der Überprüfung endgültiger Entscheidungen von Richter*innen auf Ersuchen von Behörden; und
- Abschaffung der Möglichkeit für den Obersten Gerichtshof, Fragen zu überprüfen, die Richter*innen dem Europäischen Gerichtshof vorlegen wollen.
Die detaillierte Bewertung der 17 Reformmaßnamen durch die EU Kommission ist hier verfügbar (Englisch): https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/about_the_european_commission/eu_budget/com_2022_687_1_en_act_part1_v5.pdf
Die konkreten Meilensteine, die Ungarn für die Auszahlung der Wiederaufbaugelder erfüllen muss sind hier verfügbar (Englisch, ab Seite 50): https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/com_2022_686_1_annex_en.pdf
Viktor Orban hat in den vergangenen Monaten keine Anstalten gemacht, von seinem Autokraten-Kurs abzurücken. Jetzt bekommt er für den systematischen Demokratie-Abbau der vergangenen zwölf Jahre die 7,5-Milliarden-Euro-Quittung aus Brüssel.