Daniel Freund

18. Juni 2020 Antikorruption

Interessenkonflikte: Babis von Haushaltsverhandlungen ausschließen

Morgen (Freitag) verhandeln die EU-Staats- und Regierungschefs über den EU-Haushalt für die kommenden sieben Jahre. Mit am Tisch sitzt auch der tschechische Premierminister Andrej Babis. Babis selbst profitiert enorm von EU-Geldern. Sein Unternehmen Agrofert ist einer der größten Empfänger von EU-Geldern in Tschechien. Der Verdacht eines Interessenkonflikts hat sich während einer Reise des Haushaltskontrollausschuss nach Prag im Februar diesen Jahres erhärtet.

Das Europaparlament stimmt ebenfalls morgen über eine Resolution ab, in der Babis aufgefordert wird, seinen Interessenkonflikt aufzulösen. Eine offizielle Einordnung der EU-Kommission steht noch aus. In einem vorläufigen Bericht – der von der tschechischen Regierung geleakt wurde – stellt auch die Kommission einen Interessenkonflikt fest.

Daniel Freund, Mitglied des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament  für die Grünen und Teilnehmer der Untersuchungsmission nach Prag kommentiert:

“Am Freitag verhandeln die Staats- und Regierungschefs den größten EU-Haushalt aller Zeiten. Bei Babis besteht immer der Verdacht er verhandelt nicht für Tschechien sondern will besonders seinen eigenen Unternehmen möglichst viel EU-Geld besorgen. Diese Situation ist unerträglich. Allein der Verdacht des Interessenkonflikts muss reichen, um Babis von den Verhandlungen auszuschließen.”

“Angela Merkel hat sich in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag zur deutschen Ratspräsidentschaft deutlich für eine solidarische europäische Antwort auf die Corona-Krise ausgesprochen. Dann müssen wir aber auch sicherstellen, dass die Hilfsgelder bei denen ankommen, für die sie bestimmt sind. Das Geld der Europäischen Steuerzahler soll jene unterstützen, die hart von der Krise betroffen sind und nicht in den Taschen von Milliardären im Regierungsamt landen. Ich erwarte von der deutschen Kanzlerin ein deutliches Signal an ihren tschechischen Amtskollegen. Wer EU-Geld zur Selbstbereicherung nutzt, darf den EU-Haushalt nicht mitverhandeln.”

"Das Geld der Europäischen Steuerzahler soll jene unterstützen, die hart von der Krise betroffen sind und nicht in den Taschen von Milliardären im Regierungsamt landen."
"Wer EU-Geld zur Selbstbereicherung nutzt, darf den EU-Haushalt nicht mitverhandeln.”

Das Europaparlament…

11. missbilligt, dass der tschechische Ministerpräsident in seinem Amt als Ministerpräsident (und als ehemaliger Vorsitzender des Rates für die europäischen Struktur- und Investitionsfonds) aktiv an der Ausführung des Unionshaushalts in der Tschechischen Republik beteiligt war und ist, während er als Gründer und einziger Begünstigter von zwei Treuhandfonds nach wie vor die Agrofert-Gruppe kontrolliert, was gegen Artikel 61 Absatz 1 der Haushaltsordnung verstößt, und stellt daher in Frage, ob er sein Amt unparteiisch und objektiv ausübt; ist zutiefst besorgt über aktuelle Medienberichte‚ wonach der Ministerpräsident unverändert die Kontrolle über die im Unternehmen Agrofert getroffenen Geschäftsentscheidungen ausübt;

13. beharrt darauf, dass ein Interessenkonflikt auf höchster Regierungsebene eines Mitgliedstaats, wenn er sich denn bestätigt, nicht toleriert werden kann und von der betroffenen Person bzw. den betroffenen Personen zu lösen ist, indem

a) Maßnahmen getroffen werden, mit denen sichergestellt wird, dass diese Personen in Bezug auf ein Unternehmen keine wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen mehr haben, die unter Artikel 61 der Haushaltsordnung fallen;

b) die unter ihrer Kontrolle stehenden Unternehmen keine Mittel aus EU-Fonds, keine öffentlichen Beihilfen und keine von der nationalen Regierung vergebenen Mittel mehr erhalten;

c) sie davon absieht bzw. absehen, an Entscheidungen, die ihre Interessen berühren, mitzuwirken; betont jedoch, dass es angesichts der Aufgaben und Befugnisse des Ministerpräsidenten und der Mitglieder seiner Regierung zweifelhaft erscheint, dass mit einer solchen Maßnahme der Interessenkonflikt in der Praxis angemessen angegangen werden kann, wenn die betreffenden Personen ihre öffentlichen Aufgaben unverändert wahrnehmen, und dass die Niederlegung des öffentlichen Amtes daher ein geeigneteres Mittel zur Bewältigung des Interessenkonflikts darstellt;

41. fordert die Kommission auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die laufenden Prüfverfahren unverzüglich abzuschließen und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen, sobald alle Nachweise ordnungsgemäß bewertet wurden; fordert den Rat und den Europäischen Rat auf, die Ergebnisse dieser Prüfungen zu berücksichtigen und Artikel 61 der Haushaltsordnung im Hinblick auf die Verhandlungen über den nächsten MFR gebührend zu berücksichtigen;

48. fordert den Rat und den Europäischen Rat auf, im Rahmen der Verhandlungen über den künftigen EU-Haushalt und den nächsten MFR gemäß Artikel 61 Absatz 1 der Haushaltsordnung alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung von Interessenkonflikten zu ergreifen;