Daniel Freund

14. Juni 2020 Transparenz

Der Fall Philipp Amthor verdeutlicht Reformbedarf im Bundestag bei Lobbying, Nebenjobs, Reisen

Foto: Philipp Amthor

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor hat laut einem Bericht des Spiegel die Interessen der Firma “Augustus Intelligence” vertreten. Amthor hat für Augustus einen Brief an Wirtschaftsminister Altmaier (ebenfalls CDU) und mindestens zwei Treffen mit einem Staatssekretär organisiert. Für die erfolgreiche Interessenvertretung erhielt Amthor Aktienoptionen und einen Direktorenposten.

Anders als ein Gehalt sind Aktienoptionen laut Bundestagsverwaltung bisher nicht anzeigepflichtig, obwohl sie bei steigenden Aktienkursen viel Geld wert sein können. Amthor antwortet bisher nicht, von wem und wie seine Luxus-Reisen mit den Augustus-Managern nach St Moritz, Korsika und New York bezahlt wurden.

Bundestag Schlusslicht bei Korruptionsbekämpfung und Transparenz

Der Fall Amthor offenbart gleichzeitig die eklatanten, systemischen Mängel im Bundestag bei Lobbytransparenz, Nebentätigkeiten und Korruptionsbekämpfung. Die Experten der Staatengruppe gegen Korruption beim Europarat (GRECO) bemängeln regelmäßig die Anfälligkeit des deutschen Parlaments für dubiose Einflußnahme durch Interessenvertreter. Empfehlungen werden – anders als in anderen nationalen Parlamenten und im Europaparlament – seit Jahren nicht umgesetzt.

– Lobbytransparenz: Im Bundestag gibt es kein Lobbyregister. Im Europäischen Parlament müssen sich Lobbyorganisationen in ein Register eintragen, um Zugang zum Europäischen Parlament zu erhalten. Europaabgeordnete sind verpflichtet Lobbytreffen zu veröffentlichen, wenn sie Gesetze und Entscheidungen verhandeln. Alle weiteren Treffen sollten ebenfalls veröffentlicht werden.

– Nebentätigkeiten für Lobby-Organisationen sind wie im Bundestag auch im Europaparlament meldepflichtig. (Bezahlte) Lobbyarbeit ist Europaabgeordneten hingegen verboten. Dieses Verbot wurde aufgrund einer Initiative von Grünen und Sozialdemokraten umgesetzt. Im Bundestag ist das nicht der Fall. Abgeordnete in zehn Bundesländern unterliegen einem ausdrücklichen Verbot der bezahlten Lobbyarbeit, allerdings meist eng gefasst auf Entscheidungen innerhalb des Parlaments, nicht in Bezug auf alle Institutionen wie im Europaparlament.

– Einladungen zu bezahlten Reisen und geldwerte Vorteile: Einladungen durch Dritte müssen im Europäischen Parlament gemeldet und veröffentlicht werden. Das gilt vor allem dann, wenn dem Abgeordneten durch bezahlte Flüge oder Hotelübernachtungen geldwerte Vorteile entstanden sind. Im Bundestag ist das nicht der Fall.

– unabhängige Überwachung: Wie im Bundestag entscheidet der Parlamentspräsident ob Regeln verletzt wurden und dies sanktioniert wird. Für die Überwachung stehen wenige Mitarbeiter der Parlamentsverwaltung zur Verfügung. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat der Grünen Europafraktion die Einrichtung einer Ethik-Behörde versprochen, die künftig unabhängig die Regeln überwachen soll. Ein Vorbild für eine solche unabhängige Behörde besteht bereits in Frankreich. Französische Abgeordnete müssen der Behörde nicht nur ihre Nebeneinkünfte, sondern auch ihr Vermögen und ihre Schulden offenlegen.

Daniel Freund, designierter Berichterstatter des Europaparlaments für die Stärkung von Transparenz und Integrität in den EU Institutionen durch die Schaffung einer EU-Ethikbehörde, kommentiert:

“Der Fall Philipp Amthor offenbart die Anfälligkeit des Bundestags für die intransparente Einflussnahme auf Gesetze und Entscheidungen. Die schwachen Regeln sind dringend reformbedürftig – vor allem dort, wo es um Lobbying, Nebenjobs und Reisen geht. Unsere Demokratie darf nicht käuflich sein. Deutschland hängt hier im Europäischen Vergleich Jahre hinterher. CDU und CSU müssen endliche ihre Blockade zum Beispiel beim Lobbyregister aufgeben. 

Eine Veröffentlichung von Lobbytreffen – wie die Europäischen Institution sie vormachen – hätte Amthors Aktivitäten früher offengelegt und damit vielleicht verhindert. Dass Volksvertreter im Nebenjob Lobbyisten sind darf nicht sein und ist im Europäischen Parlament richtigerweise verboten. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass gewählte Parlamentarier durch verdeckte Zahlungen, Geschenke oder Einladungen käuflich wären. Deshalb sollten Geschenke und Luxusreisen meldepflichtig sein oder ganz verboten werden. Korruption und Intransparenz zerstören das Vertrauen der Bürger*innen in die Politik. Unabhängig überwachte klare Regeln können Vertrauen stärken.”

 

HINTERGRUND: Die Regeln des Europaparlaments

"Unsere Demokratie darf nicht käuflich sein. Deutschland hängt hier im Europäischen Vergleich Jahre hinterher. CDU und CSU müssen endliche ihre Blockade zum Beispiel beim Lobbyregister aufgeben."

Artikel 11 : Finanzielle Interessen der Mitglieder und Transparenz-Register

1.   Das Parlament beschließt Regeln über die Transparenz der finanziellen Interessen seiner Mitglieder in Form eines Verhaltenskodex, der mit der Mehrheit der ihm angehörenden Mitglieder angenommen und dieser Geschäftsordnung als Anlage (1) beigefügt wird.

Diese Regeln dürfen die Ausübung des Mandats und damit zusammenhängender politischer oder anderer Tätigkeiten nicht anderweitig beeinträchtigen oder einschränken.

2.   Die Mitglieder sollten sich systematisch nur mit Interessenvertretern treffen, die im durch die Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission eingerichteten Transparenz-Register (2) registriert sind.

3.   Die Mitglieder sollten alle geplanten Treffen mit Interessenvertretern, die in den Geltungsbereich des Transparenz-Registers fallen, im Internet veröffentlichen. Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 6 der Anlage I müssen Berichterstatter, Schattenberichterstatter und Ausschussvorsitze für jeden Bericht alle geplanten Treffen mit Interessenvertretern, die in den Geltungsbereich des Transparenz-Registers fallen, im Internet veröffentlichen. Das Präsidium stellt auf der Website des Parlaments die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung.

https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/RULES-9-2019-07-02-RULE-011_DE.html

Artikel 1 : Leitprinzipien

Im Rahmen der Ausübung ihres Mandats als Mitglieder des Europäischen Parlaments

a)   richten sich die Mitglieder nach folgenden allgemeinen Verhaltensgrundsätzen und handeln nach deren Maßgabe: Uneigennützigkeit, Integrität, Offenheit, Sorgfalt, Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit und Wahrung des guten Rufs des Parlaments;

b)   handeln die Mitglieder nur im öffentlichen Interesse und erlangen oder erstreben keinerlei unmittelbaren oder mittelbaren finanziellen Nutzen oder eine sonstige Zuwendung.

Artikel 2 : Wichtigste Pflichten der Mitglieder

Im Rahmen ihres Mandats als Mitglieder des Europäischen Parlaments

a)   gehen die Mitglieder keinerlei Vereinbarungen ein, im Interesse einer anderen juristischen oder natürlichen Person zu handeln oder abzustimmen, die ihre in Artikel 6 des Akts vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments und in Artikel 2 des Abgeordnetenstatuts verankerte Abstimmungsfreiheit beeinträchtigt;

b)   verlangen, nehmen an oder empfangen die Mitglieder keinen unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen oder eine sonstige Vergünstigung in Form von Geld- oder Sachleistungen als Gegenleistung für ein bestimmtes Verhalten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit des Mitglieds und vermeiden strikt jede Situation, die Bestechung, Korruption oder ungebührlicher Einflussnahme gleichkommen könnte;

c)   gehen die Mitglieder keiner bezahlten gewerblichen Lobbytätigkeit nach, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beschlussfassungsprozess der Union steht.

https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/RULES-9-2019-07-02-ANN-01_DE.html#def2

Chapter 2 INVITATIONS TO EVENTS ORGANISED BY THIRD PARTIES

Article 6 Scope

1. Members shall disclose their attendance at events organised by third parties where the reimbursement of their travel, accommodation, or subsistence expenses, or the direct payment of such expenses, is covered by a third party.

https://www.europarl.europa.eu/pdf/meps/926701_1_EN_IM_DEF.pdf

Hintergrund: Lobbyarbeiten in deutschen Landtagen:

4.6. Verbot der bezahlten Lobbyarbeit

Abgeordnete in zehn Bundesländern unterliegen einem ausdrücklichen Verbot der bezahlten Lobbyarbeit: In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen dürfen Abgeordnete kein Rechtsverhältnis eingehen, aufgrund dessen sie Bezüge in der Erwartung erhalten, dass sie die Interessen des Zahlenden im Landtag vertreten werden.

https://www.bundestag.de/resource/blob/412348/100924c3c461b562b570f2eec825ad9b/WD-3-098-13-pdf-data.pdf