Nach Corona: Mehr Schlagkraft für Europa
Es gibt sie noch, die europäische Solidarität während der Corona-Krise: Intensiv-Patienten werden auf Krankenhäuser in ganz Europa verteilt, medizinische Schutzausrüstung wir gemeinsam bestellt, die Lockerung der Schutzmaßnahmen wird europäisch koordiniert.
Doch zu häufig lässt die europäische Zusammenarbeit und Solidarität schwer zu wünschen übrig. Einige Mitgliedstaaten blockieren weiter eine starke, solidarische Antwort auf die kommende Wirtschaftskrise. Sie lehnen gemeinsame Anleihen (Corona-Bonds) ab und wiederholen damit Fehler, die schon die Eurokrise unnötig lang und schmerzhaft gemacht haben. Und damit auch dem Populismus und den Eurokritikern mit zum Aufstieg verholfen haben. In Italien ist die Zahl der Europaskeptiker mit Beginn der Krise um 20 Prozent nach oben geschossen. Die Wahrnehmung eines handlungsunfähigen Europas hat Fliehkräfte in Gang gesetzt.
In den kommenden Monaten werden wir uns die Frage stellen müssen: Hat Europa die richtigen Antworten auf diese Krise gefunden?
Wir brauchen – jetzt mehr denn je – eine Debatte über die Zukunft der EU. Wir müssen analysieren, warum im ersten Reflex auf die Krise vor allem nationale statt europäische Antworten Konjunktur hatten. Und wir müssen es endlich schaffen, gelebte europäische Solidarität und den Wunsch der Bürger*innen nach mehr Europa in der Krise nachhaltig in politische Prozesse zu übersetzen.
Die Konferenz zur Zukunft der EU ist für diese Debatte das ideale Forum.
Konferenz soll so bald wie möglich starten
Das Europäische Parlament steht hierfür bereits in den Startlöchern. Am Freitag hat das Parlament in seiner Corona Resolution auch gefordert die Konferenz so bald wie möglich zu starten. Schon im Januar wurde eine starke Position verabschiedet, die jetzt mit Kommission und Rat verhandelt werden muss.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel sprachen in ihren Reden über die Konferenz. Michel forderte die EU auf, mit den Bürger*innen über mehr Solidarität und Einigkeit zu sprechen. Ursula von der Leyen zitierte aus dem Ventotene Manifest, dem ‘Gründungsdokument’ der Europäischen Föderalisten: “Der Moment ist gekommen, in dem wir alte Hürden überwinden müssen, um bereit für eine neue Welt zu sein – eine Welt, die deutlich anders ist, als wir sie uns vorgestellt haben.”
Initiative der Föderalisten
Dem kann man nur zustimmen. Aus diesem Grund habe ich am Freitag zusammen mit Guy Verhofstadt und Abgeordneten aller pro-europäischen Fraktionen im Europaparlament einen Brief an Parlamentspräsident David Sassoli verfasst. Darin fordern wir, die Konferenz direkt nach dem Ende der Reisebeschränkungen zu beginnen. Wir sollten dann nicht nur über Corona und unsere Gesundheitssysteme diskutieren, wie von der zuständigen Kommissarin Dubravka Suica diese Woche vorgeschlagen. Wir brauchen grundlegende Antworten auf die demokratischen, wirtschaftlichen, sozialen und klimatischen Herausforderungen unserer Zeit. Es wird Zeit, eine breite europäische Debatte darüber zu beginnen – mit den europäischen Bürger*innen.
"Wir müssen es endlich schaffen, gelebte europäische Solidarität und den Wunsch der Bürger*innen nach mehr Europa in der Krise nachhaltig in politische Prozesse zu übersetzen."
Die heute vom Europaparlament beschlossene Resolution:
The European Parliament…
55. Stresses that the Union must be prepared to start an in-depth reflection on how to become more effective and democratic and that the current crisis only adds to the urgency of it; believe that the planned Conference on the Future of Europe is the appropriate forum for this; is therefore of the opinion that the Conference needs to start at the first opportunity and that it has to come forward with clear proposals, including by engaging directly with citizens, to profoundly reform the European Union, making it more effective, united, democratic, sovereign and resilient;
Dear President,
During the last weeks, our fight against the impact of the COVID-19 has rightly taken our attention away from the planned Conference on the Future of Europe. However, the crisis also shows that the Conference is now more necessary than ever. This was also alluded to by Charles Michel and Ursula von der Leyen in yesterday’s plenary debate. With a global recession on the horizon, Europe is at a turning point. The crisis demonstrates again, that many challenges require a European response and we need an ambitious dialogue with citizens about our future.
Today’s COVID-19 resolution makes clear references to the need of such a process of reflection and the need to engage directly with the EU’s citizens. Parliament’s position, adopted on 15 January, stressed that high-level patronage from the Presidents of the European Parliament, of the European Council and of the European Commission is needed. As Members of the former Working Group on the Conference we feel deeply dedicated to this initiate and therefore would like to propose that you – together with the two other presidents – reflect on a possible joint action on or around 9 May – the 70th anniversary of the Schuman Declaration.
This symbolic day might be the right moment to publicly relaunch a new perspective when the Conference could start. Even if a slight delay in the timeline is inevitable, the three institutions should pledge to start the Conference at a commonly agreed date in the very near future.
For such commitment to be made on the 9 May, it is crucial that the Council adopts its position on the Conference as soon as possible. We are convinced that it would be very helpful if you could reach out to the Croatian Presidency and reiterate, as you have already done in the past, that the Parliament would like to start the negotiations among the three institutions. A joint position before the summer is crucial so that logistical arrangements can be made for the conference and citizens agoras to start in late 2020 or early 2021. The slight delay should be used to ensure that this innovative and ambitious endeavour is properly prepared.
We remain at your disposal for any support or feedback you might need.
Sincerely yours,
Paulo Rangel
Gabriele Bischoff
Guy Verhofstadt
Daniel Freund
Helmut Scholz