Daniel Freund

18. Februar 2020 Antikorruption

Ratspräsident Michel darf den Schutz des Rechtsstaats nicht für Haushaltskompromiss aufgeben

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, hat vor dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel seine Position für den Mehrjährigen Finanzrahmen vorgestellt. Weiterhin mit im Paket: Sanktionen für Regierungen, die den Rechtsstaat missachten sollen. Allerdings werden die Hürden jetzt so gesetzt, dass es wohl nie zur Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus kommen würde.

Die EU-Kommission hatte 2018 finanzielle Sanktionen gegen Regierungen vorgeschlagen, die den Rechtsstaat angreifen. Sie sollten, so wie Sanktionen im Euro-Stabilitätspakt, greifen, wenn der Rat der Mitgliedstaaten keinen Widerspruch einlegt. Charles Michel schlägt als Teil seines Pakets jetzt die entscheidende Abschwächung vor, dass es eine qualifizierte Mehrheit unter den Mitgliedstaaten für Sanktionen braucht. Diese Regel wurde beim Euro-Stabilitätspakt umgekehrt, weil es mit der Mehrheitshürde trotz klarer Verletzungen nie zu Sanktionen kam. Es ist zu erwarten, dass den Rechtsstaats-Sanktionen das gleiche Schicksal droht, wenn das Paket in der jetzigen Form vom Rat verabschiedet wird.

Daniel Freund, Verhandler der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament für den Rechtsstaats-Mechanismus, kommentiert:

Es ist unerträglich, wie Ratspräsident Charles Michel den Schutz des Rechtsstaats in Europa für Nachkomma-Stellen in den Haushaltsverhandlungen aufgibt. Es ist an Bundeskanzlerin Merkel ein Machtwort für die Europäische Demokratie und unsere Grundwerte einzulegen, so wie sie es in Thüringen getan hat. Die Regierungen in Polen und Ungarn profitieren von europäischem Geld, während sie europäische Werte mit Füßen treten. Eine Zustimmung zu diesem Vorschlag käme einem Freifahrtschein für Viktor Orban und anderen gleich, ihre autokratische Regierungsführung mit EU-Geldern zu finanzieren.

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HINTERGRUND: Auszug aus der “Verhandlungsbox” von Charles Michel

22. A general regime of conditionality will be introduced to tackle manifest generalised deficiencies in the good governance of Member State authorities as regards respect for the rule of law when necessary to protect the sound implementation of the EU budget and the financial interest of the Union.

23. The further work on the mechanism will have to ensure that conditionality under the regime will be genuine; the aim will be to tackle instances of deficiencies which affect or risk affecting the sound implementation of the EU budget or the financial interests of the Union in a sufficiently direct way. The instances of deficiencies will be identified with clear and sufficiently precise criteria.

24. In the case of such deficiencies, the Commission will propose appropriate and proportionate measures that will have to be approved by the Council by qualified majority.

25. This regime will be separate and autonomous from the procedures provided for in the Treaties and complementary to any peer review mechanism decided for in the future.

HINTERGRUND: Auszug aus Artikel 5 (Verfahren) aus dem Kommissions-Vorschlag

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten

6. Gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass ein genereller Mangel in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip vorliegt, legt sie dem Rat einen Entwurf für einen Beschluss über einen Durchführungsrechtsakt mit geeigneten Maßnahmen vor.

7. Der Beschluss gilt als vom Rat angenommen, es sei denn, dieser beschließt binnen eines Monats nach Annahme des Vorschlags durch die Kommission mit qualifizierter Mehrheit, ihn abzuweisen.

Quelle: https://www.europarl.europa.eu/RegData/docs_autres_institutions/commission_europeenne/com/2018/0324/COM_COM(2018)0324_DE.pdf