Lobbyregeln im Europaparlament und der EU-Kommission sollen künftig unabhängig kontrolliert werden. Für den entsprechenden Bericht zur Schaffung eines Ethikgremiums stimmte am heutigen Mittwoch (14. Juli) eine Mehrheit der Abgeordneten im Verfassungsausschuss: 18 ja, 8 nein, 1 Enthaltung. Grüne, Sozialdemokraten, Liberale, Linke setzen sich damit gegen den Widerstand der Christdemokraten durch. Im Fokus des Ethikgremiums sollen Interessenkonflikte und Drehtürwechsel stehen. Die Abstimmung im Plenum findet voraussichtlich im September statt.

Das unabhängige Ethikgremium wurde auf Initiative von Daniel Freund in das Grüne Wahlprogramm aufgenommen und gehörte zu den Grünen Forderungen für die Europawahl 2019. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hatte den Grünen Vorschlag übernommen. Auch der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (CSU) hatte den Vorschlag als EVP-Spitzenkandidat gegenüber den Wählerinnen und Wählern versprochen*.

Daniel Freund, Berichterstatter des Europaparlaments für die “Verbesserung von Transparenz und Integrität in den Organen der EU durch die Einsetzung eines unabhängigen Ethikgremiums der EU”, kommentiert:

“Das Ja des Verfassungsausschuss zum EU-Ethikgremium ist ein großer Erfolg. Unser Einsatz für saubere Politik in Brüssel zahlt sich aus. Das Votum ist ein wichtiger Schritt für saubere EU-Institutionen ohne Interessenkonflikte. Wir Grüne hatten ein solches Gremium im Wahlkampf zur Europawahl 2019 gefordert. Dass der zuständige Ausschuss des Parlaments sich jetzt dahinter stellt, zeigt, dass Grüne Politik in Europa wirkt!”

“Unabhängige Kontrolle kann die Regeln endlich glaubwürdig durchsetzen, direkte Wechsel in den Lobbyismus schließen und so das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen. Das bisherige System der Selbstkontrolle hat zu viele Skandale nicht verhindert. Zu viel Vertrauen in die EU wurde zerstört durch unzählige Lobby-Anschlussjobs von Günther Oettinger, den Kauf von Kommissions-Insidern durch die Bankenlobby, Facebook, Vodafone und andere. Mit der Einrichtung unabhängiger Kontrolle für Ethik-Regeln kann die EU Vorbildliches aus Frankreich und Kanada zum neuen Standard für Europa machen.”

“Der Widerstand der Christdemokraten gegen unabhängige Kontrolle ist entlarvend. Nur Wochen nach Bekanntwerden von Masken-Affäre und Aserbaidschan-Netzwerken stimmt die Union gegen eine wirksame Durchsetzung bestehender Lobbyregeln. Dabei hatten selbst Ursula von der Leyen (CDU) und Manfred Weber (CSU) ein solches Gremium versprochen, um mehr Transparenz in den EU-Institutionen zu schaffen! Die Christdemokraten müssen bei der Abstimmung im Plenum im September zeigen, ob sie unabhängige Kontrolle gegen Korruption, Interessenkonflikte und Drehtüren in die Lobby weiter im Weg stehen wollen.”

Wichtigste Punkte des Berichts:

• reine Selbstkontrolle wird ersetzt durch ein gemeinsames Ethik-Gremium von EU-Parlament und Kommission aus 9 unabhängigen Mitgliedern, z.B. früheren Richtern oder Ethik-Experten. Aktuellen Abgeordnete, Kommissare oder Mitarbeiter dürfen dann nicht mehr über Regelverstöße urteilen
• der neue unabhängige Ethik-Ausschuss kann Untersuchungen selbst einleiten ohne auf Erlaubnis durch Präsident*in von Parlament oder Kommission angewiesen zu sein
• Empfehlungen werden veröffentlicht, kein Verfahren endet mehr im Nichts, wie es leider im Parlament schon vorkam

Die wichtigsten Dokumente:

Entscheidungsschritte und Dokumente bisher: https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2020/2133(INI)&l=en 

NGO-Brief mit Kritik an Kompromissen: https://transparency.eu/concerns-independent-eu-ethics-body/ 

Mitschnitte der öffentlichen Diskussionen unter den Verhandlern der Fraktionen mit Expert*innen und weiteres Material: https://www.greens-efa.eu/de/campaigns/ethics-body 

*Der Pledge von Transparency International zur Europawahl 2021:

https://transparency.eu/euelections2019/