Studie: Zahlreiche Verdachtsfälle auf verbotene Lobby-Nebenjobs bei Europaabgeordneten
Eine Studie von Transparency International (TI) nennt zahlreiche Europaabgeordnete, die gegen das Verbot von Lobby-Nebenjobs verstoßen haben könnten. Nebenjobs sind im Europaparlament prinzipiell nicht verboten – bezahlte Lobbytätigkeiten hingegen schon. Insgesamt verdienen die 720 Europaabgeordneten in dieser Legislatur in Summe jährlich mehr als 6,3 Millionen Euro dazu. Dabei sind die Nebenjobber*innen sehr unterschiedlich auf die Fraktionen verteilt. Während durchschnittlich die MEPs der Rechtsaußen von EKR 55.000 EUR und PfE 35.500 EUR und auch die Christdemokraten (EVP) 36.000 EUR nebenbei verdienen, sind es bei den Grünen nur 9.700 EUR. Die Studie identifiziert zudem mehrere Verdachtsfälle, bei denen es sich um Verstöße gegen das Lobby-Nebenjob-Verbot handeln könnte:
- Günther Sidl, SPÖ, Mitglied im Umweltausschuss, bekommt 5.000 Euro/Jahr von EVN AG einer der größten Elektrizitätsfirmen Europas
- Stefan Köhler, CSU ist Mitglied im Umwelt- und Agrar-Ausschuss während er 51.240 Euro/Jahr als Präsident des Bayerischen Bauernverbands verdient
- Filip Turek aus der radikal-rechten PfE-Fraktion (von Le Pen, Viktor Orban, FPÖ) verdient circa 120.000 Euro als Freier Berater für die Autoindustrie während er in den Ausschüssen für Umwelt, Industrie und Binnenmarkt sitzt.
Bisher kontrolliert das Europaparlament die Einhaltung der Lobbyregeln ausschließlich selbst. Acht von der Präsidentin ernannte Europaabgeordnete prüfen, ob Regeln verletzt wurden. Diese Selbstkontrolle hat sich bisher nicht als sehr effizient erwiesen. Als bessere Alternative zur Selbstkontrolle haben die Grünen im April 2024 ein unabhängiges EU-Ethik-Gremium durchgesetzt. Dort können fünf unabhängige Experten Fälle prüfen und falls nötig Sanktionen vorschlagen. Das Gremium hat seine Arbeit bislang noch nicht aufgenommen.
Daniel Freund (MdEP, Grüne), Mitglied des zuständigen Verfassungsausschuss und Grüner Verhandler für die EP-Geschäftsordnung, kommentiert:
“Enorm hohe Summen aus Nebenverdiensten bringen immer das Risiko von Interessenkonflikten mit sich. Nie darf der Eindruck entstehen, Europaabgeordnete seien käuflich und würden die Interessen ihrer Arbeitgeber vertreten. Lobbynebenjobs sind aus gutem Grund verboten. Aktuelle Verdachtsfälle wurden vom Europaparlament offenbar noch nicht einmal geprüft. Diese laxe Auslegung der Regeln gefährdet die Glaubwürdigkeit des Parlaments. Das unabhängige Lobbygremium zur Überprüfung der Regeln muss endlich seine Arbeit beginnen.”
Die Studienergebnisse im Überblick: https://transparency.eu/new-parliament-mep-side-jobs/
Verhaltenskodex für Europaabgeordnete: https://www.europarl.europa.eu/pdf/meps/Code_of_Conduct_20240918_DE.pdf
Artikel 2 – Wichtigste Pflichten der Mitglieder
Im Rahmen ihres Mandats als Mitglieder des Europäischen Parlaments
… (c) gehen die Mitglieder keinen bezahlten Lobbytätigkeiten nach, die in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Beschlussfassungsprozess der Union stehen.
Mitglieder des Beratenden Ausschuss: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/PV-10-2024-09-17_DE.html#pvitem11
Die Präsidentin hat gemäß Artikel 10 des Verhaltenskodex für die Mitglieder des Europäischen Parlaments in Bezug auf Integrität und Transparenz am 16. September 2024 beschlossen,
Gerolf Annemans (PfE)
Gilles Boyer (Renew)
Chiara Gemma (ECR)
Monika Hohlmeier (PPE)
Antonio López-Istúriz White (PPE)
Ana Catarina Mendes (S&D)
Martin Schirdewan (The Left)
Nicolae Ştefănuță (Verts/ALE)
als Mitglieder des Beratenden Ausschusses zum Verhalten von Mitgliedern sowie
Ivan David (ESN)
als Reservemitglied des Beratenden Ausschusses zum Verhalten von Mitgliedern zu benennen.