Olaf Scholz’ Europa-Rede: Genug Grundsatzreden! - Zeit, Grundsätzliches anzupacken!
Am heutigen Europatag war Olaf Scholz für eine Grundsatzrede im Europäischen Parlament zu Gast. Wirklich Grundsätzliches hat der Bundeskanzler dabei aber nicht angesprochen. Scholz bekräftigte abermals, dass wir auf der Ebene des Europäischen Rates mehr Mehrheitsentscheidungen in Steuerfragen und der Außenpolitik benötigen. Dies käme einer Reduzierung nationaler Vetos in der EU-Politik gleich. Scholz begrüßte die hierfür nötigen Vorschläge für Vertragsreformen, an denen das Parlament gerade arbeitet. Er sagte, “eine erweiterte Europäische Union muss eine reformierte EU sein”. Einen Weg für einen EU-Konvent – die Grundvoraussetzung für Veränderungen der EU-Verträge – zeigte er aber nicht auf. Er wolle lediglich darauf hinarbeiten, dass sich die Mitgliedstaaten im Rat damit befassen.
Scholz’ Rede verdeutlicht, wie wenig in den vergangenen zwölf Monaten seit den Beschlüssen der EU-Zukunftskonferenz passiert ist. Nach dem größten Bürger*innen-Beteiligungsprozess in der Geschichte der EU hatte das Europaparlament den Prozess für einen EU-Konvent gestartet. Aktuell arbeitet das Parlament an einem umfassenden Bericht für neue EU-Verträge. Beide Initiativen blieben von den EU-Mitgliedstaaten bislang unbeantwortet.
MdEP Daniel Freund, Verhandler der Grünen für das EU-Vertragsreformpaket des Europaparlaments und Vertreter im Lenkungsgremium der EU-Zukunftskonferenz, kommentiert:
“Deutschland muss Motor der Europäischen Integration sein. Wir brauchen einen Bundeskanzler, der sich im Rat der Mitgliedstaaten stark macht für einen EU-Konvent. Die rhetorische Unterstützung für die Arbeit des Europaparlaments heute ist wichtig, die Überzeugungsarbeit muss aber vom Kanzleramt im Rat geleistet werden. Es braucht mehr Initiativen wie die des deutschen Außenministeriums für eine “Freundesgruppe für Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik.”
“Die EU-Zukunftskonferenz – inklusive 800 zufällig ausgewählter Bürger*innen – hat EU-Vertragsänderungen ins Rollen gebracht. Diese wichtige Initiative darf jetzt nicht zum Stillstand kommen. Nationale Vetos sind für die EU angesichts der Bedrohung durch Russland zum Sicherheitsrisiko geworden. Der Kanzler hat Recht: weniger Einstimmigkeit macht Europa nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch bei Steuern und damit sozialer Gerechtigkeitspolitik handlungsfähig. Der zuverlässigste Weg hierfür ist ein EU-Konvent. Er muss jetzt endlich starten.”
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Auswärtiges Amt zur neuen Freundesgruppe für Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2595302
Reformpaket der EU-Zukunftkonferenz, das am 9 Mai 2022 vorgestellt wurde: https://danielfreund.eu/eu-zukunftskonferenz-reformpaket-beschlossen/
Beschluss des Europaparlaments für konkrete Vertragsänderungen am 9 Juni 2022: https://danielfreund.eu/europaparlament-startet-vertragsaenderungen/
Wir brauchen einen Bundeskanzler, der sich im Rat der Mitgliedstaaten stark macht für einen EU-Konvent.