Koalitionsvertrag: So wird das nichts mit der EU-Reform
CDU/CSU und SPD haben sich gestern (Mittwoch) auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Dass Schwarz-Rot den großen Aufbruch damit definitiv verpassen dürfte, haben schon andere kommentiert. Ich möchte hier kurz meine Einschätzungen zum Europa-Kapitel mit Euch teilen. Um die Erwartungen gleich zu Beginn zu dämpfen: Das Europa-Kapitel ist das letzte (!) (inhaltliche) des Koalitionsvertrages.
EU-REFORM
Schwarz-Rot nimmt sich zwar eine EU-Reform zur nächsten Erweiterungswelle vor – macht aber nicht klar, wie diese Reform eigentlich aussehen soll. Das Problem des Einstimmigkeitsprinzips (also: Orbans Veto) wird angesprochen, soll aber nicht per Änderung der Europäischen Verträge angegangen, sondern mit der sogenannten Passarell-Klausel lediglich umgangen werden. Überhaupt zeigt sich das Papier vollkommen ambitionslos bei einer Vision für die Zukunft Europas. Ein Reformkonvent findet überhaupt keine Erwähnung.
DEMOKRATIE
Auch bei der Weiterentwicklung der Europäischen Demokratie bleibt der Koalitionsvertrag komplett blass. Man “befürworte” eine “Weiterentwicklung des Wahlrechts zum Europäischen Parlament”. Wie konkret das aussehen soll, erfahren wir nicht. Transnationale Listen oder das Spitzenkandidaten-Prinzip finden keine Erwähnung. Wie sich die kommende Bundesregierung die Zukunft der Europäischen Demokratie vorstellt, bleibt im Dunkeln.
RECHTSSTAAT
Kommen wir zum einzigen Leuchtturm im Europa-Kapitel des Koalitionsvertrages. Die kommende Bundesregierung nimmt sich vor, den Rechtsstaatsmechanismus zu einem “umfassenderen Sanktionsmechanismus” weiterzuentwickeln. Gleichzeitig soll noch konsequenter gegen Rechtsstaatsverstöße in den Mitgliedstaaten vorgegangen werden – entsprechende Instrumente (auch das Artikel-7-Verfahren) will man verstärkt anwenden. All das wären in der Tat gute Nachrichten, sollte dieser Vorsatz in der Praxis wirklich zur Umsetzung kommen. Im Umgang mit Orban und Co. mangelte es in der Vergangenheit nämlich nicht an den Instrumenten, sondern am politischen Willen sie umzusetzen.
FAZIT:
Union und SPD haben erkannt, dass Demokratie und Rechtsstaat in der EU unter enormem Druck stehen. Ein konsequenter Einsatz der EU-Rechtsstaatsinstrumente ist folgerichtig. Der Koalitionsvertrag liefert aber überhaupt keine Antwort darauf, wie Europa widerstandsfähiger und demokratischer gemacht werden soll. So bleibt das “Europa, das mit einer Stimme spricht” wieder nur eine Floskel ohne Umsetzung. Das ist fatal – vor allem in der aktuellen Weltlage. Denn wenn Deutschland als Motor ausfällt, dann wird es wieder nichts mit der EU-Reform. Dann haben wir in den kommenden vier Jahren Stillstand in Europa.
Den Koalitionsvertrag findet ihr hier – “Europa” ab Seite 135:
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag_2025.pdf
Denn wenn Deutschland als Motor ausfällt, dann wird es wieder nichts mit der EU-Reform. Dann haben wir in den kommenden vier Jahren Stillstand in Europa.