EU-Lobbytransparenz: Homöopathischer Fortschritt statt verbindlichem Register
Die Verhandlungsführer der EU-Institutionen haben am Montagabend eine Einigung über das Transparenzregister erzielt. Der Rat der EU wird dem Register beitreten. Allerdings werden nur die höchstrangigen Mitarbeiter des Rates und die meisten Ständigen Vertreter und ihre Stellvertreter alle 13 Jahre, wenn sie die Ratspräsidentschaft innehaben oder vorbereiten, ein Jahr lang keine unregistrierten Lobbyisten treffen.
Eine Aufweichung der bestehenden Regeln konnte in den Verhandlungen vermieden werden. Indirekte Lobbyarbeit wird im Geltungsbereich bleiben, auch wenn die Kommission vorgeschlagen hatte, diese zu streichen. Wenige neue Regeln stärken das bestehende Register: Wer Lobbyarbeit für Drittländer wie China, Saudi-Arabien oder Aserbaidschan betreibt, muss sich künftig registrieren.
6 Jahre nachdem die Kommission 2016 die neue interinstitutionelle Vereinbarung vorgeschlagen hat, sind die meisten Vorschläge zur Stärkung der Transparenz der Lobbyarbeit im Parlament bereits in unseren Regeln niedergeschrieben. 2019 wurden auf Initiative der Grünen und der Sozialdemokraten Europaabgeordnete, die an EU-Beschlüssen mitschreiben, verpflichtet, ihre Lobbytreffen zu veröffentlichen. Einladungen zu parlamentarischen Anhörungen und interfraktionellen Gruppen von Abgeordneten sind schon von einer vorherigen Registrierung abhängig.
Die Kommission und das Parlament gehen bereits weiter als die meisten nationalen Regierungen und Parlamente. Da die vereinbarte neue Interinstitutionelle Vereinbarung (IIV) die Umsetzung aller Bedingungen vollständig den Institutionen überlässt, hängen nun alle möglichen Fortschritte von den einzelnen Institutionen ab.
Daniel Freund, Verhandlungsführer der Grünen/EFA-Fraktion für das EU-Transparenzregister, kommentiert:
„Die Vereinbarung bringt nur sehr begrenzte zusätzliche Lobby-Transparenz. Diejenigen, die am häufigsten mit Lobbyisten zusammentreffen: Politische MitarbeiterInnen in der Kommission, Fraktions- und Abgeordnetenmitarbeiter im Parlament und fast alle im Rat bleiben außerhalb des Geltungsbereichs des Registers. Dass der EU-Rat dem Transparenzregister beitritt, ist ein Erfolg – aber noch weit entfernt von einem Durchbruch. In Wirklichkeit handelt es sich um homöopathische Transparenz: Zwei von Hunderten in der Ratspräsidentschaft sind alle 13,5 Jahre für 12 Monate transparent. Die Regeln für Lobbytransparenz in den europäischen Institutionen gehören zu den fortschrittlichsten in Europa. Dennoch bleibt noch viel zu tun, um die Entscheidungsprozesse in Brüssel wirklich transparent zu machen.“
HINTERGRUND I: nächste Schritte
Mittwoch, 9 Dezember, wird die Konferenz der Präsidenten (Fraktionsvorsitzenden) des Parlaments das Paket wahrscheinlich billigen und es dem Verfassngsausschuss (AFCO) zur formellen Entscheidung über die IIV zukommen lassen. Der AFCO wird voraussichtlich eine Resolution mitverhandeln, die auch die nächsten Schritte des Parlaments bezüglich neuer Bedingungen für Lobbyisten klären könnte.
Diese oder nächste Woche wird die Kommission wahrscheinlich über das Paket entscheiden.
Mittwoch, 16 Dezember wird der COREPER für den Rat wahrscheinlich über das Paket entscheiden.
HINTERGRUND II: Wichtige Verhandlungsziele des Parlaments
Rat tritt der bestehenden IIV von Parlament und Kommission bei
BEGRENZTER ERFOLG: Rat tritt bei, aber nur in minimaler Form: Die beiden ständigen Vertreter vermeiden Treffen mit nicht registrierten Lobbyisten, und zwar für 1 Jahr alle 13,5 Jahre vor und während ihrer Präsidentschaft. Auf freiwilliger Basis. Die deutsche Ständige Vertretung hat zur Zeit 400 Mitarbeiter. Der Rat wird sich personell und finanziell am Sekretariat des Registers beteiligen. Die 3 Generalsekretäre der EU-Institutionen werden Einzelheiten festlegen.
Alle EU-Mitarbeiter vom Referatsleiter bis zum Generalsekretär treffen nur mit registrierten Lobbyisten zusammen
KEIN FORTSCHRITT: Bei der Konditionalität für Lobbyisten konnten sich die EU-Institutionen nur einigen, sich auf nichts zu einigen. Jede Institution wird selbst definieren, welche Interaktion mit Lobbyisten sie erst nach der Registrierung zulässt.
Rein öffentliche Vertreter von Gemeinden und Regionen von Registrierung befreit
ERFOLG: Vertretungen von Gemeinden und Regionen (subnationale Ebenen der öffentlichen Verwaltung) sind nun ausgenommen, allerdings nur als rein öffentliche Einrichtungen. Sobald sie sich mit privaten Interessen vernetzen, sollen sie sich weiterhin registrieren.
HINTERGRUND III: Vorschläge der Grünen/EFA vom Juni 2020
Das Parlament sollte die Abgeordneten dabei unterstützen, ihre Pflicht zur Veröffentlichung von Lobby-Treffen gewissenhafter umzusetzen
UNCLEAR: Die Verhandlungsführer haben das unterstützt, aber nichts davon ist Teil des vereinbarten Pakets
Verbot für EU-Mitarbeiter, nicht registrierte Lobbyisten zu treffen
KEIN FORTSCHRITT: keine neuen Regeln für Mitarbeiter, nur registrierte Lobbyisten zu treffen
Lobby-Sitzungen aller EU-Mitarbeiter von der Zustimmung zur Veröffentlichung abhängig machen
KEIN FORTSCHRITT: keine neuen Regeln für Mitarbeiter zur Veröffentlichung von Treffen mit Lobbyisten
Die Kommission sollte davon absehen, indirekte Lobbyarbeit aus dem Abkommen herauszunehmen
ERFOLG: Indirekte Lobbyarbeit wird weiterhin durch das Register abgedeckt
Lobby-Beratungsfirmen sollten Drittländer als Kunden veröffentlichen
ERFOLG: Lobby-Beratungsfirmen müssen Drittländern als Kunden offen legen
Lobbyisten sollten Drehtür-Fälle, also die Einstellungen von Ex-Mitgliedern oder Ex-Mitarbeitern von EU-Institutionen veröffentlichen
KEIN FORTSCHRITT: keine neuen Verpflichtungen für registrierte Lobbyisten
Stärkeres Sekretariat: mehr Ressourcen zur Überprüfung der Registranten und für mehr Transparenz
UNCLEAR: Der Rat wird Personal beisteuern, aber es ist unklar, wie viel mehr Ressourcen dies bedeutet
Aktuelle Finanzdaten: Lobbyisten sollten verpflicht werden, ihre Ausgaben häufiger als nur jährlich zu aktualisieren, wenn sie sich massiv ändern
BEGRENZTER ERFOLG: Registrierte Lobbyisten sollten nun „aktuelle“ Informationen über ihre Ausgaben für Lobbyarbeit zur Verfügung stellen; dies könnte die Grundlage dafür sein, dass sie in später vom Sekretariat herauszugebenden Richtlinien verpflichtet werden, die Informationen über ihre Ausgaben innerhalb von Wochen zu aktualisieren, sobald eine hohe Änderungsschwelle überschritten wird.
Verpflichtung für registrierte Lobbyisten zur Zusammenarbeit bei parlamentarischen Untersuchungen
UNCLEAR: keine explizite Erwähnung, kann in bestehende Regeln eingelesen werden
HINTERGRUND IV: Lobbytransparenz in den EU Institutionen im Vergleich
grün = verpflichtende Regeln in Kraft (Kommission: keine Registrierung, kein Treffen, EP: Veröffentlichung von Treffen oder geplant (Rat: keine Registrierung, kein Treffen), rot = keine Regeln, orange = freiwillige Regeln in Kraft (EP) oder geplant (Rat)
Ebene | Parlament | Kommission | Rat der EU | Lobbykontakte |
Präsident der Institution | Parlaments- Präsident (Sassoli) | Kommissions- Presidentin (von der Leyen) | Präsident des Europäischen Rates (Michel) | niedrig |
Leitung der Verwaltung | Generalsekretär, GenSek der Fraktionen | General- sekretärin, General- direktorInnen | Generalsekretär, General- direktorInnen | niedrig |
Verhandlungs- führer der Institution bei Gesetzgebung | MdEPs die Berichterstatter sind, Ausschuss- vorsitzende | Kommissare | Ständige VertreterIn und Stellv. der rotierenden Präsidentschaft | hoch |
Verhandlungs- beteiligte für Fraktionen, Länder | MdEPs die Schatten- Berichterstatter sind | Kabinette der Kommissare | Mitarbeiter der Ständigen Vertretungen in Rats-Arbeitsgrp. | hoch |
Mitarbeiter, die Positionen entwerfen | andere MdEPs, ihre Assistenten, Fraktions- mitarbeiter | Referatsleiter und andere Mitarbeiter | Mitarbeiter der nationalen Ministerien, die mitwirken | am höchsten |