Daniel Freund

1. Juli 2022 Antikorruption

EU-Kommissarin Jourova: Polen erfüllt nicht die Meilensteine für Corona-Hilfen

Am gestrigen Donnerstag (30.06) ist die Frist für die polnische Regierung ausgelaufen, um die ersten Meilensteine für die Freigabe der Corona Hilfsgelder zu erfüllen. In der Sitzung des Innenausschusses des Europaparlaments bestätigt Kommissarin Jourova am Donnerstag auf meine Frage: Das von Polen verabschiedete Gesetz zur Disziplinarkammer erfüllt nicht die Bedingungen für die Auszahlung der ersten Corona-Gelder. Kurz darauf widersprach die EU-Kommission der Aussage ihrer Vizepräsidentin und gab an, die Erfüllung der Meilensteine durch die polnische Regierung noch nicht geprüft zu haben.

Um erste Zahlungen möglich zu machen, hätte die polnische Regierung bis zum Ende des 2. Quartals 2022 mehrere Auflagen erfüllen müssen; unter anderem, dass die politisch besetzte Disziplinarkammer abgeschafft und Disziplinarverfahren von Richter*innen künftig vor einem unabhängigen Gericht durchgeführt werden. Außerdem sollen Richter*innen für den Inhalt ihrer Urteile nicht mehr disziplinarisch belangt werden können. Auch die Überprüfung, ob ein anderes Gericht politisch rechtmäßig eingerichtet wurde, soll nicht mehr mit Disziplinarmaßnahmen geahndet werden können. 

Zwar hatte das polnische Parlament am 9. Juni ein Gesetz zur Disziplinarkammer verabschiedet. Allerdings sieht dieses im Grunde nur eine Umbenennung der Kammer vor. Die Mitglieder der neuen “Kammer für Berufshaftpflicht” werden nicht mehr vom Nationalen Justizrat sondern vom Präsidenten persönlich ernannt und können damit keineswegs als politisch unabhängig gelten. Die neue Kammer hat zudem nahezu die gleichen Kompetenzen, wie die kritisierte Disziplinarkammer.

Daniel Freund, Mitglied im Haushaltskontroll- und Innenausschuss des Parlaments, kommentiert:

“Bei der Versorgung der Geflüchteten und angesichts der russischen Aggression hat Polen unsere volle Solidarität verdient. Beim Rechtsstaat hat Polen hat seine Hausaufgaben aber nicht gemacht. Die Meilensteine der EU-Kommission sind nicht erfüllt. Das war zu erwarten. Unter diesen Umständen darf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Wiederaufbaugelder an die polnische Regierung nicht freigeben. EU-Gelder dürfen nur dann an Polen ausgezahlt werden, wenn die Justiz wieder unabhängig ist. Von der Leyen täte gut daran, sich der Einschätzung ihrer Vizepräsidentin anzuschließen und endlich anzuerkennen, dass die Scheinreformen in Polen nur ein Täuschungsmanöver sind. Das einzige Ziel, was die polnische Regierung verfolgt, ist an EU-Gelder zu gelangen, und nicht den Rechtsstaat zu reparieren.”

Die Antwort von EU-Kommissarin Vera Jourova auf die Frage von Daniel Freund im Video:

https://twitter.com/daniel_freund/status/1542457504784842752

Von der Leyen muss gegenüber Polen hart bleiben – sonst droht ihr im Europaparlament ein Misstrauensvotum. Der Gastkommentar von Terry Reintke und mir heute auf welt.de

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article239663763/Rechtsstaatlichkeit-Von-der-Leyen-muss-gegenueber-Polen-hart-bleiben.html