Daniel Freund

8. Juli 2024 Demokratie

Abstimmungsverhalten von Meloni’s Leuten im Europaparlament: Weder pro-EU, noch pro-Rechtsstaat

Nahezu alle Abgeordneten der Rechtsaußen-Fraktion “Europäische Konservative und Reformer” (EKR) im Europaparlament haben in der vergangenen Legislatur mehrheitlich gegen Resolutionen und Gesetzesvorhaben gestimmt, die sich mit dem Schutz des Rechtsstaats in der EU befassen oder auf eine Weiterentwicklung des Europäischen Projekts abzielen. Das ist die Haupterkenntnis einer Auswertung des Abstimmverhaltens der jeweiligen Abgeordneten, die das Büro von Daniel Freund vorgenommen hat. Zur rechtspopulistischen Fraktion gehören neben der Frattelli d’Italia von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auch Abgeordnete der tschechischen ODS und der polnischen PiS.

Nimmt man das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten als Bewertungsgrundlage, gibt es in der EKR-Fraktion keine nationalen Delegationen, die mit dem Label “pro-EU” oder “pro-Rechtsstaat” versehen werden könnten. Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, als auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ebenso EVP), hatten zuvor mehrfach angegeben, dass eine Zusammenarbeit mit Teilen der EKR-Fraktion möglich sei, so diese denn die drei Bedingungen pro-Rechtsstaat, pro-EU und pro-Ukraine erfüllen würden.

Wie schneidet die rechtsaußen Fraktion der EKR bei diesen Kriterien ab? Ein Überblick:

  • Pro-EU? Initiativrecht für das Europäische Parlament, gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern für die Union, Vereinfachung des Wahlrechts für im europäischen Ausland lebende EU Bürger*innen – all diese Reformen lehnte die EKR-Fraktion in der letzten Legislaturperiode mehrheitlich ab.
  • Pro-Ukraine? EU-Kandidatenstatus für die Ukraine, kurz- und langfristige Finanzhilfen für den Wiederaufbau und die Vorbereitung auf einen EU-Beitritt – diesen Maßnahmen stimmte die EKR-Fraktion mehrheitlich zu. 
  • Pro-Rechtsstaat? Stärkerer Maßnahmen zur Wiederherstellung einer unabhängigen Justiz in Polen und Ungarn, inklusive der Finalisierung des Verfahrens zum Stimmrechtentzugs für beide Regierungen, Klage gegen die EU Kommission wegen Untätigkeit beim Rechtsstaatsmechanismus, vollständige Aufklärung des Mords an der Journalistin Daphna Caruana Galizia in Malta – all diese Forderungen des Parlaments, im Falle von Ungarn in der Form von gleich acht (!) Resolutionen, lehnte die EKR-Fraktion mehrheitlich ab. 

Die Grüne Fraktion hat hingegen bei allen oben genannten Abstimmungen mit großer Mehrheit dafür gestimmt. 

Daniel Freund, Grünes Mitglied im Europaparlament, kommentiert:

„EVP-Fraktionschef Manfred Weber hat wiederholt gesagt, es gäbe drei Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit seiner Fraktion: Potenziele Kooperationspartner müssten ‘pro-EU’, ‘pro-Ukraine’ und ‘pro-Rechtsstaat’ sein. Unterzieht man das Abstimmungsverhalten in den vergangenen fünf Jahren insbesondere beim Rechtsstaat einer Analyse, stellt man fest: Es gibt bei der EKR – also der Fraktion, der auch Melonis Fratelli d’Italia angehören – de facto keine Abgeordneten, die diese Bedingungen erfüllen. Wenn Europas Christdemokraten es ernst meinen mit ihren Bedingungen, dann sollten Von der Leyen und Weber mit den Grünen koalieren. Alles andere wäre Augenwischerei.

Welche Abstimmungen haben wir ausgewertet?

Die komplette Auswertung finden Sie unter folgendem Link:

https://danielfreund.eu/wp-content/uploads/2024/07/ECR-Votes-Rule-of-Law-Ukraine-EU.pdf

Unterzieht man das Abstimmungsverhalten in den vergangenen fünf Jahren insbesondere beim Rechtsstaat einer Analyse, stellt man fest: Es gibt bei der EKR - also der Fraktion, der auch Melonis Fratelli d’Italia angehören - de facto keine Abgeordneten, die diese Bedingungen erfüllen.

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