Drei Schritte Richtung Föderale Republik Europa
Die Arbeit an einem starken, föderalen Europa geht voran.
- Die Föderale Republik Europa steht jetzt im Grünen Grundsatzprogramm
- Das Europaparlament bekräftigt (erneut): Wir empfehlen europäische (transnationale) Wahllisten
- Auch die CDU/CSU Europaabgeordneten öffnen sich für so eine Wahlreform und andere Reformen, die Europas Blockaden lösen können
Die Erfolge im Einzelnen:
Grundsatzprogramm der Grünen – Kapitel 5: “Demokratie stärken” fordert die Föderale Republik Europa
Das ist ein großer Erfolg für die Voraus-Europäer*innen bei den Grünen, vor allem der Bundesarbeitsgemeinschaft Europa: Wir haben uns im Vorfeld der BDK für die Verankerung unserer Vision für ein geeintes Europa, die Föderale Republik Europa, in unserem neuen Grundsatzprogramm stark gemacht. Jetzt ist sie Grüner Grundsatz. Wir fordern: ein starkes Europäisches Parlament beschließt den EU-Haushalt, wählt die EU-Kommission ohne wie bisher vom langsamsten Mitgliedstaat abhängig zu sein. Für EU-Gesetze hat das Parlament das Initiativrecht und ist gleichberechtigt mit dem Rat der Mitgliedstaaten. Im Rat verhindern transparente Entscheidungsverfahren, dass sich die Bremser hinter anderen Mitgliedstaaten verstecken können wie bisher. Wo immer noch Einstimmigkeit gilt wird sie durch Mehrheitsentscheidungen ersetzt. Damit würden in Zukunft Veto-Drohungen, wie sie aktuell durch Polen und Ungarn zum EU-Haushalt ausgesprochen werden, verhindert. Mit dem neuen Grundsatzprogramm haben die Grünen ein solides Fundament gelegt, um in der bevorstehenden Konferenz für die Zukunft Europas die Treiber für das europäische Zusammenwachsen zu sein.
Fortschritte bei transnationalen Listen und Spitzenkandidat*innen
Gestern hat das Parlament eine Nachlese zur Europawahl 2019 verabschiedet, der bessere Regeln für ein Europäisches Wahlrecht fordert. Der Gesamtbericht wurde mit großer Mehrheit (468 ja, 194 nein, 34 Enthaltungen) angenommen. Die stärkste Empfehlung für transnationale Listen wurde mit den Stimmen der Sozialdemokraten, liberalen Renew und Grünen gegen die meisten Christdemokraten beschlossen (340 ja, 246 nein). Um die heutige Empfehlung für eine Wahlrechtsreform mit der Einführung transnationaler Listen und einer festen Verankerung des Spitzenkandidatensystems Realität werden zu lassen, braucht es noch mehr Überzeugungsarbeit. Wir werden uns dabei weiterhin dafür einsetzen, dass Europawahlen als Kampf um die besten europäischen Antworten auf europäische Fragen entschieden werden müssen. Zum Glück hat das Europaparlament für einen Vorschlag zur Reform des Wahlrechts bereits einen Bericht vergeben. Berichterstatter ist mein Kollege Domenec Ruis Devesa, ein spanische Sozialdemokrat und überzeugter europäischer Föderalist.
Die Position der CDU/CSU Europaabgeordneten öffnet sich für transnationale Listen
Während die Christdemokraten bei der Wahlnachlese noch gegen Empfehlungen für transnationale Listen stimmten, zeigen sich die CDU/CSU Europaabgeordneten offener für eine Reform des Wahlrechts. Sie fordern “eine Verankerung des Spitzenkandidatenprinzips zu bewirken” und “Europaabgeordnete durch ein unionsweit einheitliches Wahlsystem zu wählen, welches aus einem geographischen und einem proportionalen Teilelement besteht. Die Wahlkreisgröße im geographischen Teilelement berücksichtigt dabei die bestehende Mindestzahl an Abgeordneten pro Mitgliedsstaat. Das proportionale Teilelement folgt dem Prinzip „eine Person, eine Stimme“.” Ein solches “proportionales Teilelement” wäre am besten mit transnationalen Listen umsetzbar, ganz ähnlich der Zweitstimme bei Bundestagswahlen.
Auch Europa lähmende Blockaden wollen die CDU/CSU-Kollegen teils mit uns überwinden. Sie fordern “Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zum Standardverfahren bei Wahlen und Abstimmungen im Rat zu machen” und “eine Beschleunigung von ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch die Einführung von Behandlungsfristen, insbesondere im Rat”, wie sie in unserem Europawahlprogramm 2019 standen.
HINTERGRUND:
GRUNDSATZPROGRAMM 2020: Kapitel 5: Demokratie stärken
https://cms.gruene.de/uploads/documents/20201124_vBeschluss_GSP.pdf
(270) Die Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam meistern. Daher brauchen wir eine gestärkte politische Europäische Union. Es gilt, die EU im Zuge weiterer Integrationsschritte gemeinsam mit den europäischen Bürger*innen zu stärken und perspektivisch zur Föderalen Europäischen Republik mit einer europäischen Verfassung weiterzuentwickeln.
(271) Die Föderale Europäische Republik schafft einen Rahmen, in dem sich nicht einzelne mächtige Interessen oder Regierungen durchsetzen, sondern das Allgemeinwohl. In ihr werden gleiche Rechte für alle Bürgerinnen über die EU-Grundrechtecharta verbindlich garantiert, und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Republik jemand lebt. An die Verwirklichung dieser Rechte wird das Prinzip der Subsidiarität gebunden, wonach Aufgaben und Zuständigkeiten auf der jeweils untersten Ebene – Kommune, Land, Bund, EU –, auf der Ziele und Maßnahmen ausreichend erreicht werden können, behandelt werden. So wird die Souveränität der Bürgerinnen gestärkt. Mittel aus dem EU-Haushalt sollen auch verstärkt kommunalen und lokalen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen direkt bereitgestellt werden.
(272) Der zentrale Ort für alle Entscheidungen der Europäischen Union ist das Parlament. Die Abgeordneten sollen nach europäischen Regeln auch über europäische Listen gewählt werden. Es ist in einem Zweikammersystem zusammen mit dem Rat ein gleichberechtigter Teil der gesetzgebenden Gewalt. Das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen soll auf alle Gebiete ausgeweitet werden, so dass die EU gemeinschaftlich handlungsfähig ist und einzelne Staaten eine gemeinsame Politik nicht blockieren können. Der Rat übernimmt durch deutlich mehr Transparenz seine Verantwortung als zweite Kammer gegenüber allen EU-Bürger*innen. Das Europäische Parlament wird ermächtigt, selbst Gesetze auf den Weg zu bringen, alle Politikbereiche der Union und das Budget zu kontrollieren. Die EU-Kommission soll in der Föderalen Europäischen Republik Teil eines parlamentarischen Regierungssystems sein und von der Kommissionspräsident*in vorgeschlagen und vom Parlament gewählt werden. Der Haushalt speist sich auch aus eigenen Mitteln und wird vom Europäischen Parlament beschlossen. Er verfügt über eigene Steuereinnahmen und ist groß genug, um makroökonomisch zu stabilisieren und in schweren Krisen Zuschüsse in die nationalen Haushalte zu leisten.
WAHLNACHLESE DES EUROPAPARLAMENTS
Unter anderem erwägt das Europaparlament in seinem Beschluss:
- in der Erwägung, dass institutionelle Vorschläge wie transnationale Listen, wie sie vom Parlament in seiner Entschließung vom 7. Februar 2018 zur Zusammensetzung des Europäischen Parlaments erwähnt wurden und mit denen die europäischen politischen Parteien und Bewegungen stärker in den Mittelpunkt der Wahlen zum Europäischen Parlament rücken würden, oder die Umgestaltung des Rates zu einer zweiten Gesetzgebungskammer der Union, wie sie in seiner Entschließung vom 16. Februar 2017 zu möglichen Entwicklungen und Anpassungen der derzeitigen institutionellen Struktur der Europäischen Union vorgeschlagen wurde, oder die Einführung der Möglichkeit, vor der Wahl Bündnisse europäischer Parteien und politischer Bewegungen zu bilden, dazu beitragen könnten, die einzelnen Wahlen zum Europäischen Parlament (in den Mitgliedstaaten) in eine einzige Wahl zum Europäischen Parlament zu verwandeln – im Gegensatz zu einem Bündel aus 27 getrennten nationalen Wahlen, wie es heute der Fall ist;
Außerdem sollen künftig die Rechte von Obdachlosen und Menschen mit Behinderungen gestärkt werden. Ebenso setzt sich der Bericht für einen besseren Umgang mit Menschen aller Geschlechter ein.
CDU/CSU-POSITION ZUR ZUKUNFTSKONFERENZ
https://www.cducsu.eu/zukunft-europas
- Handlungsfähigkeit und demokratische Legitimation sicherstellen
Wir fordern:
- den Europäischen Rat und den Rat der EU in einem neuen, legislativen Oberhaus unter Beibehaltung des Namens “Europäischer Rat” zu vereinigen. Damit erhöhen wir die Effizienz, öffentliche Sichtbarkeit und Rechenschaftspflicht des mitgliedsstaatlichen Elements der EU.
- ein vollständiges Initiativrecht in der Gesetzgebung für beide Kammern sowie das Haushaltsrecht für das Europäische Parlament. Dazu gehört die Kompetenz jeden Rechtsakt im Verfahren der ordentlichen Gesetzgebung zu initiieren, abzuändern oder aufzuheben.
- durch die Einführung eines konstruktiven Misstrauensvotums gegenüber der Europäischen Kommission das demokratische Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Exekutive zu stärken. Das Parlament bekommt darüber hinaus die Möglichkeit, Amtsenthebungsverfahren gegen einzelne Kommissare einzuleiten.
- eine Verankerung des Spitzenkandidatenprinzips zu bewirken
- das Berichterstatter-System des Parlamentes so zu reformieren, dass es die Koalitions- mehrheiten und damit den Wählerwillen in den politischen Prozessen abbildet.
- Europaabgeordnete durch ein unionsweit einheitliches Wahlsystem zu wählen, welches aus einem geographischen und einem proportionalen Teilelement besteht. Die Wahlkreisgröße im geographischen Teilelement berücksichtigt dabei die bestehende Mindestzahl an Abgeordneten pro Mitgliedsstaat. Das proportionale Teilelement folgt dem Prinzip „eine Person, eine Stimme“.
- den Kompetenzkatalog innerhalb der Verträge so auszudifferenzieren, dass klar definierte Politikfelder ausschließliche Kompetenz der EU werden, während in allen anderen Bereichen die nationale Ebene Vorrang in der Gesetzgebung erhält. Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zum Standardverfahren bei Wahlen und Abstimmungen im Rat zu machen.
- eine Beschleunigung von ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch die Einfürung von Behandlungsfristen, insbesondere im Rat, sowie die Reform der Geschäftsordnungen von Rat und Parlament.
- ein vollwertiges Untersuchungsausschuss- und Vorladungsrecht des Parlamentes zu schaffen.
- den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Sekundärrecht umzuwandeln, wobei einige Bestandteile in den Vertrag der Europäische Union übernommen werden.
- den Europäischen Gerichtshof durch die Zulassung von Individualbeschwerden und die Schaffung eines Organstreitverfahrens zu einem Verfassungsgerichtshof fortzuentwickeln sowie die Gerichtsorganisation grundlegend zu reformieren.
- die Anwendung der Subsidiaritätsrüge zu vereinfachen
ein rechtsförmiges Sanktionsverfahren für Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten zu entwickeln, das Instrumente bis hin zum Ausschluss aus der EU beinhaltet.
Mit dem neuen Grundsatzprogramm haben die Grünen ein solides Fundament gelegt, um in der bevorstehenden Konferenz für die Zukunft Europas die Treiber für das europäische Zusammenwachsen zu sein.