Fact-finding Mission nach Prag: Untersuchung der Interessenkonflikte von Babiš
Daniel Freund, Mitglied des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments, verbrachte die letzten beiden Tage in Prag. Die Delegation befand sich auf einer “Fact-Finding-Mission”, um die Interessenkonflikte des tschechischen Regierungschefs Andrej Babiš zu untersuchen.
Daniel Freund kommentiert:
Wir sind enttäuscht, dass Premierminister Babiš und sein Landwirtschaftsminister die Fragen des Europäischen Parlaments zu ihrem Interessenkonflikt nicht beantwortet haben. Es wird schwierig für Herrn Babiš sein, die Bürger von seiner Unschuld zu überzeugen, wenn er sich weigert, grundlegende Fragen zu beantworten. Seine Versuche, die Mission zu diffamieren, indem er die Delegation als einen Angriff auf die Tschechische Republik und ihre tschechischen Mitglieder als Vaterlandsverräter darstellt, machen ihn noch weniger glaubwürdig.
Der Prüfungsprozess der EU-Kommission ist noch im Gange, aber die Bewertung der Kommission, die einen Interessenkonflikt von Premierminister Babiš mit seinen privaten Interessen als Agrofert-Eigentümer feststellt, wurde bereits von den tschechischen Behörden der Presse zugespielt. Als Premierminister verhandelt Babiš über EU-Fördermittel im Rahmen des EU-Haushalts und überwacht die Zuteilung von EU-Mitteln in der Tschechischen Republik. Als Agrofert-Eigentümer profitiert Babiš persönlich von den EU-Mitteln mehr als jeder andere in der Tschechischen Republik. Während der Mission hat sich unser Verdacht auf das Bestehen eines Interessenkonflikts weiter erhärtet. Wir erhielten Einsicht in Schreiben von tschechischen Behörden mit konkreten Anweisungen, mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Agrofert nicht zu prüfen und bei der Verteilung der Mittel nicht zu berücksichtigen.
Ein Interessenkonflikt auf der höchsten Regierungsebene eines Mitgliedstaats kann, falls er sich bestätigt, nicht toleriert werden. In diesem Fall lässt die EU-Haushaltsordnung Herrn Babiš keine andere Möglichkeit, als seinen Interessenkonflikt aus der Welt zu schaffen. Dafür hätte er drei Möglichkeiten: seine Geschäftsanteile zu verkaufen, keine öffentlichen Subventionen oder von seiner Regierung verteilte Mittel, einschließlich EU-Mittel, mehr zu erhalten oder von seinem Amt als Premierminister zurückzutreten. Falls die Kommission den Verdacht bestätigt, müssen Merkel, Macron und die anderen EU Staats- und Regierungschefs Herrn Babiš die Fortsetzung seines Interessenkonflikts auch am Verhandlungstisch des Europäischen Rates verweigern.
Unsere Delegation kam nach Prag, um die Regierung von Herrn Babiš, aber auch tschechische Bürger*innen, NGOs, Journalist*innen und Landwirt*innen anzuhören. Was sie uns gesagt haben, deutet auf ein systemisches Versagen bei der Zuteilung von EU-Fördermitteln nach den bestehenden Regeln – nach tschechischem und EU-Recht – hin. Die Firma Agrofert von Herrn Babiš hatte bereits eine marktbeherrschende Stellung. Aber die Dominanz von Herrn Babiš und Agrofert auf dem Markt und die gleichzeitige Kontrolle der Regierung und der Behörden, die Subventionen und Gelder auszahlen, scheint die ordnungsgemäße Verteilung der Gelder, zum Schaden aller anderen in der Tschechischen Republik, zu gefährden.
Vom Verband der privaten Landwirtschaft in der Tschechischen Republik erfuhren wir, dass die EU-Subventionen und -Gelder offenbar weniger als 1.700 großen Betrieben zugute kommen, während 30.000 kleine Betriebe keine zusätzlichen Mittel erhielten. Herr Babiš profitiert von dieser ungleichmäßigen Verteilung, die von den ihm unterstellten Stellen beschlossen wurde. Derzeit werden in Brüssel die EU-Regeln für Agrarsubventionen für die nächsten 5-7 Jahre ausgehandelt. Wir Grüne schlagen eine Begrenzung der Subventionen vor, die eine einzelne Person von der EU-Agrarpolitik erhalten kann. Wir brauchen eine Anti-Oligarchen-Regelung für EU-Gelder. Das europäische Geld muss der breiten Masse und nicht einigen wenigen Oligarchen zugute kommen.
Die EU-Kommission hat die Auszahlung von EU-Geldern, die an Agrofert gehen, eingefroren, da der Verdacht eines Interessenkonflikts zu stark war, um ihn zu ignorieren. Unklar bleibt, ob die Regierung von Herrn Babiš diese Zahlungen an Agrofert dennoch weiterhin leistet, nun aber aus dem tschechischen Haushalt. Wir glauben, die tschechischen Steuerzahler verdienen es zu wissen, ob sie für den hartnäckigen Widerstand von Herrn Babiš gegen EU-Regeln zahlen. Ich fordere die Kommission auf, zu prüfen, ob die Verwendung von tschechischen Steuergeldern zur Umgehung der Vorsorgemaßnahmen der EU-Kommission zulässig ist. Die Bezahlung von Agrofert mit tschechischen Geldern könnte eine staatliche Beihilfe darstellen, die ohne Zustimmung der EU-Kommission nicht ausgezahlt werden darf.
Der Interessenkonflikt von Herrn Babiš kam nur ans Licht, weil er als sogenannter Endnutzer von Leistungen aus der Agrofert-Gruppe im slowakischen Register der Partner des öffentlichen Sektors eingetragen ist. Keine der Verordnungen über die Verwendung von Landwirtschafts- oder Kohäsionsfonds enthält eine Verpflichtung der nationalen Behörden, den endgültigen wirtschaftlichen Eigentümer einer natürlichen oder juristischen Person oder eines Trusts, der von den Mitteln profitiert, zu veröffentlichen. Das bedeutet, dass es keine Transparenz darüber gibt, welche Person letztendlich von den im Rahmen der geteilten Verwaltung gezahlten EU-Mitteln profitiert. Zurzeit verfügen die EU-Institutionen nicht über die notwendigen Informationen, um zu überprüfen, ob die EU-Vorschriften eingehalten werden. In den laufenden Verhandlungen über die Regeln für Agrarsubventionen müssen wir dies korrigieren und sicherstellen, dass wir wissen, wer letztendlich EU-Gelder erhält.
Die systemischen Mängel bei der Auszahlung von EU-Geldern in der Tschechischen Republik müssen dringend behoben werden. Sie sind auch ein weiteres Beispiel dafür, warum die Einführung eines Rechtsstaatsmechanismus mit sinnvollen Sanktionen bei Verstößen so wichtig ist. Die EU muss sich gegen die Plünderung ihrer Gelder durch Oligarchen und korrupte Regierungen verteidigen.
"Die systemischen Mängel bei der Auszahlung von EU-Geldern in der Tschechischen Republik müssen dringend behoben werden. Sie sind auch ein weiteres Beispiel dafür, warum die Einführung eines Rechtsstaatsmechanismus mit sinnvollen Sanktionen bei Verstößen so wichtig ist."