Europaparlament bringt größten EU-Reformprozess seit dem EU-Konvent auf den Weg
Mit einer überwältigenden Mehrheit (494 ja = 72%, 147 nein, 49 Enthaltungen) aus Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und einigen Linken hat das Europaparlament am Mittwoch die Resolution angenommen, die den Reformprozess “Konferenz zur Zukunft der EU” auf den Weg bringt. Die Abgeordneten sprechen sich damit für ein ambitioniertes Projekt aus, an dessen Ende eine Änderung der Europäischen Verträge stehen kann. Das Ziel: Die Union soll schlagkräftiger und demokratischer werden. Starke Bürgerbeteiligung, ergebnisoffener Prozess, Verpflichtung zur Umsetzung der Beschlüsse sind die zentralen Elemente der Resolution.
Die Klimakrise wird immer akuter, Putin und Erdogan ordnen unsere Nachbarschaft neu. Wir müssen nun endlich dafür sorgen, dass die Europäische Union mit den richtigen Kompetenzen und Mitteln ausgestattet wird, um diesen Herausforderungen entgegenzutreten. Wir brauchen Europäische Lösungen, statt nationalstaatliches kleines Karo.
Meine Rede heute im Plenum findet ihr hier:
Kommission und Mitgliedstaaten unter Zugzwang
Nun liegt es an den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission, das Momentum für eine EU-Reform zu nutzen. Eine tiefgreifende Reform hin zu mehr Handlungsfähigkeit und Bürgernähe wird nur dann möglich sein, wenn alle Europäischen Institutionen an einem Strang ziehen. Kommission und Rat wollen in den kommenden Wochen ihre Position vorstellen.Um keine Zeit zu verlieren, sollten Kommission und Rat dem Vorstoß des Parlaments folgen und die Führungsrolle des Parlaments so respektieren, wie es Ursula von der Leyen versprochen hat. Um die Bürgerinnen und Bürger zu begeistern, verdienen sie Klarheit über ihre Beteiligung an Diskussion und Entscheidung statt unverbindlichen Formelkompromissen.
Aufbruch auch in Berlin und Paris spürbar
Bereits im November haben Frankreich und Deutschland ein Non-Paper vorgelegt. Die Stellungnahme hatte Hoffnungen geweckt, dass auch der Rat die Chancen der Konferenz zur Zukunft der EU erkennt. Präsident Macron gibt der Berliner Großen Koalition eine Chance, den europäischen Aufbruch des Koalitionsvertrags doch noch Wirklichkeit werden zu lassen. Deutschland und Frankreich übernehmen den Vorsitz im Rat während der Konferenz. Die Bundesregierung kann gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Europas Geschichte schreiben und Europa mit der Konferenz den nötigen Schwung verleihen und einen großen Schritt nach vorn machen.
Christdemokraten gegen Beteiligung von NGOs an der Konferenz
Die pro-Europäischen Fraktionen von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Renew, Grünen und Teilen der Linken haben gemeinsam eine starke Resolution geschrieben. Der Kompromiss der pro-Europäer macht die wirksame Bürger-Partizipation in zufällig gelosten und repräsentativen Bürgerversammlungen (Agoras) möglich, aber nicht so sicher wie im Grünen Vorschlag vorgesehen. Auch die Beteiligung von vier stellvertretenden Europäischen NGOs direkt im Konferenzplenum konnten wir gegen Christdemokraten, hart Rechte und die Mehrheit der Liberalen nicht durchsetzen. Ihre Ablehnung der Änderungsanträge von uns Grünen müssen Christdemokraten und Liberale den vielen NGO-Aktivisten erklären, die danach in den letzten Tagen gefragt haben. Das Parlament ist in der Pflicht, seine heute beschlossenen starken Vorschläge für die Beteiligung von Bürgern und NGOs mit Kommission und Rat in die gemeinsame Vereinbarung zu schreiben.
Hintergrund: Der weitere Zeitplan
– 22. Januar.: EU-Kommission legt ihre Position vor, für den Rat der Mitgliedstaaten diskutiert der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) voraussichtlich einen ersten Entwurf einer Position
– 28. Januar.: Der Rat der Mitgliedstaaten könnte als Allgemeiner Rat seine Position beschließen
– Februar: Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission über eine gemeinsame Position in Form einer gemeinsamen Erklärung oder Vereinbarung
– 9. Mai: vom Parlament vorgeschlagener Termin, um die Konferenz zur Zukunft Europas zu eröffnen
– Juli-Dezember 2020: deutsche Ratspräsidentschaft
– Januar–Juni 2021 portugiesische Ratspräsidentschaft
– Juli–Dezember 2021 slowenische Ratspräsidentschaft
– Januar–Juni 2022 französische Ratspräsidentschaft, geplantes Ende der Konferenz