Verschiebung einzige Chance für von der Leyen
Eine stark gestiegene Wahlbeteiligung, ein klarer Sieg von pro-Europäischen Parteien gegen Populisten und Europafeinde – dieses Signal der Europawahl darf von der Leyen nicht ignorieren. Sie darf sich nicht von denen an die Spitze der Europäischen Kommission wählen lassen, die sich offen gegen Rechtsstaat und weitere europäische Einigung aussprechen.
Da von der Leyen keine Spitzenkandidatin ist, wäre es besonders wichtig ein belastbares Programm zu haben. Wir Grünen haben über ein solches Programm mit den anderen pro-Europäern über Wochen verhandelt und keine Kandidat*in ausgeschlossen. Von der Leyen war nicht bereit, diese Verhandlungen über konkrete Inhalte für ihre Präsidentschaft mit uns weiterzuführen. In ihrer Anhörung in unserer Fraktion ging sie auf unsere zentralen Forderungen zu Klimaschutz, sozialem Europa, Seenotrettung und Fortschritten bei der Europäischen Demokratie nicht oder unzureichend ein.
Was als ihr zentrales Zugeständnis im Bereich Klimaschutz gewertet wurde, fällt hinter die fraktionsübergreifende Position des Parlaments zurück. Von der Leyens Ziele sind mit den in Paris vereinbarten Zielen für Treibhausgasemissionen in Europa nicht vereinbar und auch deshalb ist sie für uns Grüne so nicht wählbar.
Es wäre wirklich ein verheerendes Signal, wenn ihre Kandidatur statt von pro-Europäern, von den Stimmen der Abgeordneten Orbans, Salvinis und der polnischen PiS getragen würde. Das Parlament hatte auch mit den Stimmen der Christdemokraten finanzielle Sanktionen beim fortgesetzten Abbau von Rechtsstaatlichkeit gefordert. Manfred Weber war dafür. Ursula von der Leyen spricht zwar von “Monitoring”, vermeidet aber bisher jede Antwort zu Sanktionen. Als Hüterin der Verträge, darf eine Präsidentin der Europäischen Kommission gerade beim Schutz der Rechtsstaatlichkeit keinerlei Kompromisse machen.
Als Ausweg bleibt eine Verschiebung der Wahl und Verhandlungen über ein konkretes inhaltliches Programm der vier pro-europäischen Fraktionen, mit dem von der Leyen sich im September zur Wahl stellt.
Zur Stärkung der europäischen Demokratie braucht es dafür jetzt mindestens:
– Einführung von transnationalen Listen, damit spätestens 2024 Hinterzimmerdeals der Vergangenheit angehören
– Initiativrecht fürs Europäische Parlament, damit es endlich selbst Gesetze vorschlagen kann, wie jedes andere Parlament der Welt
– Abschaffung der Einstimmigkeit im Rat, besonders in der Außen- und Steuerpolitik, um die Blockadehaltung einzelner Mitgliedsstaaten zu beenden
– Recht auf Untersuchungsausschüsse, wie im Vertrag von Lissabon zugesichert, aber seit 6 Jahren vom Rat blockiert
– Transparenz im Rat, Regierungen müssen ihre Positionen und ihr Abstimmungsverhalten offenlegen
– Mitspracherecht beim Arbeitsprogramm der Kommission, damit die gewählte Mehrheit im Parlament auch die Agenda der Europäischen Union mitbestimmt.