Daniel Freund

18. Januar 2023 Antikorruption

Katar-Gate Korruptionsskandal: CDU/CSU wollen Korruptionsskandal mit Nichtstun aufarbeiten

Nur wenige Tage nachdem Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (maltesische Christdemokratin) stärkere Transparenzregeln vorgeschlagen hat, rudern die CDU/CSU-Politiker*innen im Europaparlament zurück. Die Sprecher*innen von CDU und CSU im Europaparlament, Daniel Caspary und Angelika Niebler, lehnen sinnvolle Änderungen der Transparenz-Regeln für Abgeordnete ab. In einem Bericht auf tagesschau.de heißt es, dass Niebler “keinen großen Nachholbedarf” gebe. Demnach hätten neue Regeln den aktuellen Skandal nicht verhindert. Caspary lehnt die Offenlegung von Lobbytreffen ab mit dem Argument, dass “frei gewählte Abgeordnete Freiheiten brauchen. Zum Beispiel die Möglichkeit, vertrauliche Gespräche zu führen.”

Zusätzlich zur Bestechung der Abgeordneten und ex-Vizepräsidentin Eva Kaili (griechische Sozialdemokratin) mit 600.000 Euro tauchen immer mehr Vorwürfe auf. Der Abgeordnete Marc Tarabella (belgischer Sozialdemokrat) soll 120.000 Euro vom gleichen ex-MEP Antonio Panzeri (italienischer Sozialdemokrat) bekommen haben. Zusätzlich wurden viele Geschenke nicht deklariert. Luxusreisen für Abgeordnete vieler Fraktionen wurden von Diktatoren bezahlt und entgegen der Transparenzregeln nicht angegeben, oder nach der Frist nachgemeldet.

 

Daniel Freund, Berichterstatter des Europaparlaments für ein unabhängiges Ethik-Gremium, kommentiert:

“Es ist unfassbar, dass CDU und CSU nach diesem gewaltigen Korruptionsskandal sinnvolle Reformen blockieren. Sie fallen ihrer eigenen Parlamentspräsidentin in den Rücken und wollen bessere Transparenzregeln verhindern, für die sie im Dezember noch gestimmt hatten. Ein stures ‘Wir machen weiter wie bisher!’ wird den nächsten Skandal nicht unwahrscheinlicher machen. Wir brauchen Transparenz und keine Geheimniskrämerei bei Lobbykontakten und Einkommensquellen um verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen.

Wenn nach dem Skandal die Europawahl nicht im Desaster enden soll, darf es für das Europäische Parlament jetzt nur einen Maßstab geben: Volle Transparenz. Die Kultur der Straflosigkeit im Europaparlament muss vorbei sein. Jeder Verstoß gegen die Verhaltensregeln muss finanziell sanktioniert werden.”

 

Welche Regeländerungen es jetzt dringend braucht:

  1. Erklärung der Vermögenswerte von Abgeordneten: Das Plenum hat diese Forderung mit großer Mehrheit beschlossen. Das Vermögen vor und nach dem Mandat angeben zu müssen, erschwert die Nutzung von Schmiergeld und macht die Annahme damit unattraktiver. In mindestens 15 EU-Staaten müssen Abgeordnete ihr Vermögen schon offenlegen.
  2. Offenlegung ALLER Lobbytreffen: Dieser Vorschlag von EP-Präsidentin Metsola betrifft verabredete Treffen aller Abgeordneten mit Lobbyisten zu einem Gesetz oder einer Parlamentsentscheidung. Das Abgeordnete alle Treffen mit Lobbyisten angeben, ist das gute Recht der Wählerinnen und Wähler auf Transparenz. Offengelegt werden nur Organisation, Datum, Thema, ohne weitere Inhalte des Gesprächs. Ausnahmen zum Schutz von Privatsphäre und Sicherheit von Menschenrechtsverteidigern und Whistleblowern haben sich bei 35.000 veröffentlichten Lobbytreffen der EU-Kommission bewährt.
  3. Wirksamen Whistleblowerschutz im EP: Das Europaparlament darf nicht länger den schlechtesten Whistleblowerschutz aller großen EU-Institutionen haben, gerade jetzt wo wir auf Hinweise zur vollständigen Aufklärung des Skandals angewiesen sind. Das Plenum hatte im Dezember für die Verbesserung der internen Regeln gestimmt.
  4. Unabhängige Kontrolle durch ein EU-Ethik-Gremium: Bei über 25 Verstößen von Abgeordneten gegen die Verhaltensregeln wurde noch nie eine Finanzsanktion verhängt. Über die Hälfte der Abgeordneten veröffentlicht keine Lobbytreffen, obwohl die Regeln das schon vorsehen. Die vergleichsweise guten Transparenzregeln im Europaparlament werden zu schlecht angewandt, um glaubwürdig zu sein. Die Selbstkontrolle von Abgeordneten und Kommissaren muss durch ein unabhängiges Gremium mindestens für Europaparlament und EU-Kommission ersetzt werden. Auch dafür gab es im Europaparlament eine breite Mehrheit, bei Enthaltung der Christdemokraten.

 

Meine Rede im Europaparlament vom 17.01.2023:

https://twitter.com/daniel_freund/status/1615647549406208001

 

Zu Metsolas Plan vom 11.01.2023: https://danielfreund.eu/14-punkte-plan-gegen-korruption/

 

Zur Plenumsresolution vom 15.12.2022 https://danielfreund.eu/qatargate-ep-entschliessung/

 

Zur Plenumsentscheidung für ein EU-Ethik-Gremium vom 16.09.2021: https://danielfreund.eu/europaparlament-fuer-eu-ethik-gremium/