Europaparlament startet Prozess für Änderungen der EU-Verträge
Liebe Europäer*innen,
Historische Abstimmung im Europaparlament! Eine deutliche Mehrheit (355 ja, 154 nein, 48 Enthaltungen) hat heute (Donnerstag 9.06.) für Änderungen der EU-Verträge gestimmt und damit erstmals ein so genanntes Artikel-48-Verfahren gestartet. Das Parlament leitet mit diesem Votum den Prozess für die Einberufung eines (Verfassungs-)Konvents ein. Die endgültige Entscheidung liegt bei den EU-Regierungschefs mit einfacher Mehrheit. Präsident Macron hatte angedeutet einen Parlamentsvorschlag schon am 24. Juni zur Abstimmung zu stellen. Konkret schlägt das Europaparlament die Abschaffung nationaler Vetos bei EU-Sanktionen vor sowie bei der sogenannten Passerelle-Klausel. Sie erlaubt dem Rat der Miitgliedstaaten einstimmige Abstimmungen mit Mehrheitsentscheidungen zu ersetzen, zum Beispiel bei Steuern. Ohne schon konkreten Text vorzuschlagen fordert das Europaparlament auch EU-Kompetenzen für Gesundheit, Energie, ein soziales Fortschrittsprotokoll, volles Budget- und Initiativrecht für das Europaparlament und eine bessere Absicherung der EU-Grundwerte.
Das Verfahren folgt auf die Konferenz zur Zukunft der EU, in der gemeinsam mit den Europäischen Bürger*innen Reformvorschläge für eine demokratischere EU erarbeitet wurden.
Daniel Freund, Berichterstatter der Grünen für das Artikel-48-Verfahren, kommentiert:
“Erstmals überhaupt bringt das Europäische Parlament eine umfassende Änderung der EU-Verträge auf den Weg. Das ist ein historischer Schritt. Das deutliche Ergebnis zeigt: Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten dürfen sich jetzt nicht wegducken. Dieser überfällige Reformprozess darf jetzt weder blockiert, noch verschleppt werden. Wir erwarten von Macron eine Abstimmung in zwei Wochen und das grüne Licht für einen Konvent um die Bürgervorschläge zu diskutieren und entscheiden.
Unsere wichtigste Reformforderung ist das Ende der Vetos. Zu lange schon lässt sich die EU erpressen von Viktor Orban und der PiS-Regierung, bei Sanktionen, bei Mindeststeuern für Unternehmen, beim Rechtsstaat. Die Bürger haben in der Zukunftskonferenz ein Ende nationaler Vetos gefordert. Wir gehen jetzt den nächsten Schritt und folgen damit klar dem Auftrag der Europäischen Bürgerinnen und Bürger. Die EU muss effizienter und demokratischer werden!“
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Entwurf (und finaler Text) der heutigen Entschließung: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2022-0307_DE.html
daraus: legale Änderungsanträge
Article 29 TEU – zu Sanktionen
The Council shall adopt decisions which shall define the approach of the Union to a particular matter of a geographical or thematic nature. Where a decision, provides for the interruption or reduction, in part or completely, of economic and financial relations with one or more third countries, the Council shall act by qualified majority. Member States shall ensure that their national policies conform to the Union positions;
Article 48(7) TEU – zur Passerelle-Klausel:
Where the Treaty on the Functioning of the European Union or Title V of this Treaty provides for the Council to act by unanimity in a given area or case, the European Council may adopt a decision authorising the Council to act by a qualified majority in that area or in that case. This subparagraph shall not apply to decisions with military implications or those in the area of defence.
Where the Treaty on the Functioning of the European Union provides for legislative acts to be adopted by the Council in accordance with a special legislative procedure, the European Council may adopt a decision allowing for the adoption of such acts in accordance with the ordinary legislative procedure.
Any initiative taken by the European Council on the basis of the first or the second subparagraph shall be notified to the national Parliaments. If a national Parliament makes known its opposition within six months of the date of such notification, the decision referred to in the first or the second subparagraph shall not be adopted. In the absence of opposition, the European Council may adopt the decision.
For the adoption of these decisions, the European Council shall act by qualified majority vote according to the procedure laid down in Article 238(3)(b) after obtaining the consent of the European Parliament, which shall be given by a majority of its component members.
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Länder die Vertragsänderungen aktuell skeptisch gegenüber stehen
Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien und Schweden hatten im Mai eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht, die Vertragsänderungen nicht ausschließt aber erst weit in der Zukunft sieht. Allerdings hat seitdem die Regierung in Slowenien gewechselt und aus Bulgarien und Rumänien gibt es Zeichen eines Sinneswandels.
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Empfehlung 21 der 200 repräsentativen EU-Zufallsbürger aus Panel 4 (EU in der Welt)
“All issues decided by way of unanimity should be decided by way of a qualified majority. The only exceptions should be the admission of new membership to the EU and changes to the fundamental principles of the EU as stated in Art. 2 TEU and the Charter of Fundamental Rights of the European Union.”