Daniel Freund

31. März 2020 Antikorruption

Notstandsgesetz in Ungarn: Von der Leyen muss Zahlungen nach Ungarn einstellen

Foto: Europäisches Parlament

Mit einem Statement hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf das ungarische Notstandsgesetz reagiert. Mit einer Zweidrittelmehrheit wurde am Montag im Parlament in Budapest ein Gesetz verabschiedet, das unter anderem Premier Viktor Orban erlaubt, auf unbegrenzte Zeit per Dekret zu regieren. In ihrer Mitteilung vom Dienstag vermied Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es, auf die konkreten Entwicklungen in Ungarn einzugehen. Sie wies auf die Wichtigkeit hin, dass “staatliche Notmaßnahmen nicht auf Kosten fundamentaler Werte und Prinzipien der EU-Verträge eingeführt werden dürfen.” Konkrete Maßnahmen angesichts des offensiven Abbaus rechtsstaatlicher Prinzipien in einem Mitgliedsland kündigte sie aber keine an.

“Ursula von der Leyen vermittelt den Eindruck, als ließe sich die Krise in Ungarn mit Sonntagsreden lösen. Das wird Viktor Orban nicht beeindrucken. Was am Montag in Budapest passiert ist, ist nichts anderes als ein Verrat an den Grundprinzipien der Europäischen Union. Wirklich niemand hat Zweifel daran, dass Viktor Orban versucht eine Diktatur zu errichten. Die EU-Kommission muss jetzt endlich entschieden handeln.”

“Ursula von der Leyen muss den Ernst der Lage erkennen und handeln. Drei Maßnahmen sollten sofort ergriffen werden – auch in einer Sprache, die Viktor Orban versteht. Zahlungen von EU-Geldern an die ungarische Regierung müssen ausgesetzt werden, bis es wieder ein Parlament gibt, dass deren Verteilung in Ungarn überwachen kann. Wir brauchen außerdem eine Videoschalte der Europäischen Staats- und Regierungschefs, denn das ungarische Modell darf keine Nachahmer finden. Schlussendlich hat eine Partei wie Fidesz, die mit allen Mitteln die liberale Demokratie bekämpft, in der Europäischen Parteienfamilie der EVP nichts zu suchen. Ursula von der Leyen muss sich jetzt für einen Rauswurf von Fidesz aus ihrer Partei einsetzen!”

Daniel Freund, Verhandlungsführer der Grünen im Haushaltskontrollausschuss zum Rechtsstaatsmechanismus

Daniel Freund ist Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Fraktion für den Vorschlag für eine Verordnung über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52018PC0324

Neben Daniel Freund im Haushaltskontrollausschuss (CONT) ist auch Alexandra Geese im Haushaltsausschuss (BUDG) zuständig. Terry Reintke ist Berichterstatterin der Stellungnahme des Innenausschuss (LIBE). Der Vorschlag der EU-Kommission von 2018 geht auf Forderungen des Europaparlaments zurück, die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der europäischen Grundwerte besser zu verteidigen als nach Artikel 7 EU-Vertrag möglich ist. Ein Verfahren nach Artikel 7 EUV kann zum Entzug der Vorteile der EU-Mitgliedschaft führen, also dem Verlust des Stimmrechts im Rat und von EU-Geldern. Dafür müssen aber alle Mitgliedstaaten bis auf den betroffenen im Rat zustimmen, was aktuell kaum möglich scheint. Der neue Vorschlag soll finanzielle Sanktionen schon ohne diese unrealistisch hohe Hürde möglich machen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Zusammen mit Abgeordneten aller pro-Europäischen Fraktionen im Europaparlament und auch mit Abgeordneten des Bundestags und der Zivilgesellschaft habe ich am Montag eine Petition ins Leben gerufen, die die EU-Kommission zu einem sofortigen Handeln angesichts der Lage in Ungarn auffordert. Nach weniger als 24h wird die Petition bereits von mehr als 6.600 Unterzeichner*innen unterstützt.

Hier geht's zur Petition

Die EU hat bereits die Möglichkeit, einzelnen Mitgliedstaaten die Auszahlung bestimmter EU Gelder zu verweigern wenn diese die Rechtsstaatlichkeit nicht achten. Konkret kann sie das im Falle der europäischen Struktur- und Investmentfonds (ESI-Fonds) tun, die insgesamt über die Hälfte aller EU Mittel ausmachen. Die ‘Verordnung mit Gemeinsamen Bestimmungen’ (‘Common Provisions Regulation’, CPR) regelt derzeit die Verwaltung der ESI-Fonds. Artikel 142(a) der Verordnung sieht vor, dass die Zahlungen der Fonds ausgesetzt werden können, wenn

“das Verwaltungs- und Kontrollsystem für das operationelle Programm (…) einen gravierenden Mangel auf[weist], der ein Ri­siko für den für das operationelle Programm gezahlten Uni­onsbeitrag darstellt und für den keine Korrekturmaßnahmen getroffen wurden”.

Ein Land indem grundlegende Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit missachtet werden und wie im Falle von Ungarn das Parlament de facto suspendiert ist kann keine wirksamen Management- und Kontrollsysteme schaffen.

Verordnung über die gemeinsamen Bestimmungen