Daniel Freund

5. November 2020 Antikorruption

Einigung beim Schutz von Rechtsstaat und Demokratie: Kommission und Rat müssen jetzt zeigen, dass dieser Sanktionsmechanismus Europas Werte schützen kann

Im Verhandlungsraum

Verhandler von Europäischem Parlament und Deutscher Ratspräsidentschaft haben sich heute auf einen Sanktionsmechanismus zum Schutz des Rechtsstaats geeinigt. Das neue Gesetz sieht erstmals eine Verknüpfung des EU-Haushalts mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den Mitgliedsstaaten der EU vor. Verstößt ein Mitgliedstaat gegen Demokratie und Rechtsstaat kann die Europäische Kommission Finanzsanktionen verhängen. Diese müssen vom Rat der Mitgliedstaaten bestätigt werden.

Daniel Freund, Verhandlungsführer der Grünen zum Rechtsstaatsmechanismus, kommentiert:

“Wir haben in Europa jetzt erstmals einen Mechanismus, der die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien knüpft. Für den Schutz Europäischer Werte ist das ein Schritt nach vorn. Der Mechanismus ist nicht so wirkmächtig, wie wir es uns im Europäischen Parlament gewünscht haben. Aber: Der Kompromiss ist deutlich stärker, als das was die Deutsche Ratspräsidentschaft vor einigen Wochen vorgelegt hat.”

“Jetzt müssen die Mitgliedstaaten unter Beweis stellen, dass dieser Sanktionsmechanismus auch zur Anwendung kommen kann. Der Europäische Rechtsstaat steckt in einer tiefen Krise. Das zeigen die aktuellen Entwicklungen in Polen und Ungarn in bedrückender Weise. Wir müssen jetzt entschieden darauf reagieren – auch mit Sanktionen gegen Mitgliedsländer. Der Wert dieses Mechanismus wird sich daran bemessen, wie schnell er zum Einsatz kommt.”

HINTERGRUND: Wie funktioniert der Mechanismus?

Um den Mechanismus auszulösen, muss die Europäische Kommission zunächst feststellen, dass in einem Mitgliedstaat grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien verletzt werden und dadurch ein Missbrauch von EU Geldern droht oder bereits existiert. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr ist, weil eine Regierung alle unliebsamen Richter*innen ausgetauscht hat. 

Nachdem die Kommission einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt hat, muss dieser vom Rat der Mitgliedstaaten auf Ministerebene mit qualifizierter Mehrheit abgesegnet werden. Das bedeutet, dass mindestens 15 der 27 Mitgliedstaaten, die mindestens 65% der EU Bevölkerung ausmachen, den vorgeschlagenen Sanktionen zustimmen müssen. Die Mitgliedstaaten können diese Entscheidung nicht auf Ewigkeiten hinauszögern, sondern müssen innerhalb eines Monats, spätestens aber innerhalb von drei Monaten eine Abstimmung abhalten. Sollten sie das nicht tun, kann die Kommission einschreiten und die Abstimmung auf die Tagesordnung setzen.

Der betroffene Mitgliedstaat darf sich vor der Abstimmung im Rat zu dem Vorschlag der Kommission äußern und verteidigen. Sollte er es für nötig halten, darf er eine Debatte im Europäischen Rat, also unter Staats- und Regierungschefs fordern. Dieser Prozess darf die Abstimmung im Rat der Minister aber nicht länger als maximal zwei weitere Monate hinauszögern.

Im Falle einer Kürzung oder Streichung von EU Geldern ist der betroffene Mitgliedstaat weiterhin verpflichtet, die Empfänger*innen der EU Gelder aus dem nationalen Haushalt zu zahlen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Sanktionen zu Lasten der Bürger*innen fallen. Die Kommission wird ein digitale Meldestelle einrichten, bei der sich Empfänger*innen melden können, wenn die betroffene Regierung dieser Pflicht nicht nachkommt. Sollte dies der Fall sein, kann die Kommission weitere rechtliche und finanzielle Maßnahmen ergreifen.

Jetzt müssen die Mitgliedstaaten unter Beweis stellen, dass dieser Sanktionsmechanismus auch zur Anwendung kommen kann.