Daniel Freund

10. September 2020 Transparenz

Lobbyregister von Union und SPD geht am Ziel und Europäischen Standard vorbei

Union und SPD haben am Mittwoch einen neuen Entwurf für das Lobbyregister vorgelegt. Die “Verbesserungen” sind homöopathischer Natur. Es ist noch immer ein Etikettenschwindel.

 

Immerhin: auf den Druck von Zivilgesellschaft und Opposition müssen Profi-Lobbyisten jetzt doch ihre Kunden offenlegen, wie das in Europa schon die Regel ist. Aber das GroKo-Lobbyregister macht zu wenig transparent, um den Namen zu verdienen. Der Vergleich zum bestehenden Register in der EU zeigt, wie es geht, wie es in Deutschland sein sollte. Das EU-Register zeigt wer lobbyiert: über 12.000 registrierte Organisationen. Es zeigt wer lobbyiert wird: die Kommission hat fast 30.000 Treffen veröffentlicht, die Abgeordneten über 8.000. Zudem lässt sich genau zuordnen, wofür Lobbyisten genau jährlich rund 1,5 Mrd Euro ausgeben. Diese Transparenz verdienen auch die Bürger*innen in Deutschland.

 

Ohne Bundesregierung geht ein Register am Ziel vorbei

Neue Gesetze schreibt in Berlin die Bundesregierung, in Brüssel die EU-Kommission. Dort setzen die meisten Lobbyisten an. Dass Union und SPD ihre Bundesregierung von der Lobbytransparenz ausnehmen wollen, lässt das Register am wichtigsten Ziel vorbei gehen. In Brüssel kann kein Lobbyist EU-Kommissare oder ihre wichtigsten Mitarbeiter treffen ohne sich im Register transparent zu machen. Angela Merkel darf nicht länger die Transparenz verweigern, die in Brüssel auch unter Ursula von der Leyen längst selbstverständlich ist.

 

Genauso wichtig wie die Frage wer lobbyiert, ist die Frage, wer Ziel des Lobbying ist. In Brüssel müssen seit über 5 Jahren EU-Kommissare und seit einem Jahr an Gesetzen mitwirkende Abgeordnete ihre Treffen veröffentlichen. Nur so lässt sich Ausschuss für Ausschuss, Gesetz für Gesetz erkennen, wie groß jeweils das Ungleichgewicht zwischen den Vertretern von Spezialinteressen und Allgemeininteresse ist. Im Finanzausschuss des Europaparlaments fiel auf, wie groß das Ungleichgewicht zwischen vielen Bankenlobbyisten und wenigen Verbraucherschützern war. Deshalb finanziert die EU jetzt als Verstärkung für den Verbraucherschutz die Organisation FinanceWatch mit. Nur die Transparenz von Lobbytreffen macht es möglich zielgenau zu reagieren.

 

Nur mit Transparenz über Treffen lässt sich auf Ungleichgewichte reagieren

Das neue deutsche Gesetz könnte die Lobbyisten verpflichten ihre Treffen öffentlich zu machen, wie das auch in Kanada und Irland Gesetz ist. Doch Union und SPD wollen ausgerechnet Treffen wie von Augustus mit MdB Philipp Amthor und Verkehrsminister Andreas Scheuer oder von Wirecard-Lobbyist Karl-Theodor zu Guttenberg mit Angela Merkel nicht transparent machen. So ändert das neue Register nichts am Skandal, der damit gelöst werden sollte. Das muss sich ändern. Ein neues Register muss den “Amthor-Test” bestehen, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurück zu gewinnen.

 

Union und SPD haben ihren ersten Entwurf etwas nachgebessert. Wer für andere lobbyiert, muss jetzt seine Kunden auflisten und auch angeben, wie viele Mitarbeiter im Einsatz sind. Genauere Angaben zu den Finanzen bleiben aber freiwillig und sind deshalb auch von Strafen bei Falschangaben ausgenommen. In Brüssel ist die Registrierung zwar generell freiwillig. Aber wer EU-Kommissare oder ihre wichtigsten Mitarbeiter treffen will, muss sich registrieren und damit seine Finanzen pro Kunde offen legen. Wie bei Parteispenden sind harte Transparenzregeln bei Geld im Herz der Demokratie gerechtfertigt.

 

Union und SPD schlagen vor, dass die Lobbyisten ihren Verhaltenskodex selbst schreiben und auch selbst kontrollieren. In Brüssel haben EU-Kommission und Parlament den Verhaltenskodex geschrieben und kontrollieren gemeinsam seine Einhaltung. In Kanada kontrolliert ein unabhängiger Aufseher die Regeln. Unabhängige Kontrolle der Lobbyregeln braucht es auch in Deutschland.

 

Grüner Antrag in NRW will Internationalen Standard nach Deutschland bringen

Mein Kollege Matthi Bolte und die Grüne Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen hat am Montag einen Antrag für ein Lobbyregister auf dem Stand der Zeit vorgelegt. Der Auftrag an die Landesregierung für ein NRW-Lobbyregister sieht vor:

  • Gilt für Landtag, Landesregierung und Ministerien
  • Damit auch für die Landesvertretung NRW in Brüssel
  • Lobbyisten müssen sich registrieren, werden sonst sanktioniert
  • Lobbyisten müssen ihre Treffen und Kontaktaufnahmen veröffentlichen
  • Lobbyisten müssen ihre Finanzen und Personal pro Kunde transparent machen
  • Ein Verhaltenskodex wird durch den Landtagspräsidenten kontrolliert (nicht durch Lobbyisten unter sich)

Schon nächste Woche soll der Antrag im Landtag diskutiert werden. Dann muss Armin Lachets Regierung Farbe bekennen, ob der Möchtegern-Nachfolger von Angela Merkel mehr Transparenz will. Die offensichtlichen Kungeleien zwischen der CDU-FDP-Regierung und dem Fleischfabrikant Tönnies und dem Kraftwerksbetreiber RWE zeigen: NRW hat mehr Lobbytransparenz dringend nötig.

 

HINTERGRUND

GroKo-Entwurf Lobbyregister Deutschland: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/221/1922179.pdf

Grüner Entwurf Lobbyregister NRW: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-10838.pdf

 

Nächste Schritte

Fr, 11 September 14h55: Bundestag diskutiert das GroKo-Lobbyregister (TOP 30)

Mi, 16 September 13h15: Landtag NRW diskutiert den Grünen Lobbyregister-Antrag (TOP 5)

Do, 1 Oktober: Bundestags-Ausschussanhörung zu Lobbyregister-Anträgen

 

Lobbytreffen der EU-Kommission, aufbereitet von Transparency International: https://integritywatch.eu/

Kommentar zu Lobbytreffen der Europaabgeordneten: https://transparency.eu/mep-lobby-meetings/