Daniel Freund

18. Juni 2020 Demokratie

Konferenz zur Zukunft Europas: Parlament fordert ein Rats-Mandat mit Ehrgeiz, Umsetzungszusage und Bürger-Agoras

Das Europäische Parlament hat heute eine nachdrückliche Botschaft an den Rat gerichtet, sein Mandat für die Konferenz über die Zukunft Europas fertigzustellen. Alle demokratischen / pro-europäischen Gruppen unterstützten die Resolution. Sie wurde mit 528 Ja zu 124 Nein und 45 Enthaltungen angenommen. 34 Abgeordnete mehr als im Januar, als die ausführlichere Resolution angenommen wurde. Die Covid-19-Pandemie zeigt, dass wir diese Konferenz jetzt mehr denn je brauchen (§2).

Hinsichtlich des Umfangs und des Formats der Konferenz “bekräftigt das Parlament die Position, die es in seiner Entschließung vom 15. Januar 2020 dargelegt hat, in allen ihren Dimensionen” (§3). Unter den entwerfenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments kamen wir überein, nicht alle Einzelheiten erneut aufzugreifen, sondern uns nur auf die Schlüsselfragen zu konzentrieren, die uns in Bezug auf die bisher vorliegenden Entwürfe der Position des Rates beschäftigen (§6):

– “eine Verpflichtung zu sinnvollen Folgemaßnahmen” – Der Rat muss sich zu weit mehr als den 90 Sekunden der Debatte als Antwort auf die Bürgerdialoge verpflichten, bevor der Europäische Rat die “strategische Agenda” annimmt.

– “die maßgebliche direkte Einbeziehung der Bürger” – Lies: die Zuhörphase und die Bürger-Agoras (Citizens’ Agoras), die das Parlament vorschlägt oder “Bürgerforen” (Citizens Panels) in der Sprache der Kommission.

– “den Rahmen der Konferenz offen halten für alle möglichen Ergebnisse, einschließlich … Vertragsänderungen“.

Und in der Tat hören wir gute Anzeichen dafür, dass der Rat die letzten notwendigen Kompromisse gefunden hat. Nach einer zögerlichen, aber vage genug formulierten Vertragsänderung scheint nun auch die Frage der Führung der Konferenz erfolgreich auf eine “unabhängige herausragende Persönlichkeit” geregelt zu sein. Wir hören, dass die kroatische Ratspräsidentschaft nächste Woche im AStV einen endgültigen Kompromiss zur Abstimmung stellen könnte.

Sobald die Botschafter der EU-Regierungen im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) ein Ratsmandat annehmen, müssen sich die drei wichtigsten EU-Institutionen auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Das ist keine leichte Aufgabe, da sich Rat und Parlament in einer Reihe von Fragen nicht einig sind und noch nicht geklärt haben, wer in ihrem Namen verhandeln würde. Doch in strukturellen Fragen, wer im Plenum der Konferenz sitzen sollte, dass die Europäischen Bürger-Agoras/Panels eine wichtige Rolle spielen sollen und dass in den Leitungsgremien alle wichtigen EU-Institutionen und nationale Parlamente vertreten sein sollten, besteht Einigkeit. Wie viel Geld jede Institution bereit ist, beizutragen, wird eine große Rolle dabei spielen, wie ehrgeizig die Konferenz sein wird. Die große Frage, die bleibt: Was wird auf der Konferenz tatsächlich diskutiert werden?

Wir freuen uns auf Ihre/eure Ideen und Fragen!

Beste Grüße, Daniel

 

 

"Die Covid-19-Pandemie zeigt, dass wir diese Konferenz jetzt mehr denn je brauchen."
"Die große Frage, die bleibt: Was wird auf der Konferenz tatsächlich diskutiert werden? Wir freuen uns auf Eure Ideen!"

Das Europäische Parlament,

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zur Verbesserung der Funktionsweise der Europäischen Union durch Ausschöpfung des Potenzials des Vertrags von Lissabon[1], seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zu möglichen Entwicklungen und Anpassungen der derzeitigen institutionellen Struktur der Europäischen Union[2], seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zu der Haushaltskapazität für das Euro-Währungsgebiet[3] und seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zum Stand der Debatte über die Zukunft Europas[4],

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2017 zu einer europäischen Säule sozialer Rechte[5],

– unter Hinweis auf den Vorschlag zur Organisation einer Konferenz zur Zukunft Europas (im Folgenden „Konferenz“), den die damalige designierte Präsidentin der Kommission Ursula von der Leyen am 16. Juli 2019 im Rahmen der politischen Leitlinien für die künftige Europäische Kommission 2019–2024 vorgelegt hat,

– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 22. Januar 2020 mit dem Titel „Gestaltung der Konferenz zur Zukunft Europas“ (COM(2020)0027),

– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 12. Dezember 2019 zur allgemeinen Herangehensweise an die Konferenz zur Zukunft Europas,

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2020 zum Standpunkt des Europäischen Parlaments zur Konferenz über die Zukunft Europas[6],

– unter Hinweis auf die Entschließung des Ausschusses der Regionen vom 12. Februar 2020 zu der Konferenz zur Zukunft Europas,

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie und ihrer Folgen[7],

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Mai 2020 zu dem neuen mehrjährigen Finanzrahmen, den Eigenmitteln und dem Aufbauplan[8],

– unter Hinweis auf die Erklärung der Konferenz der Präsidenten zum 70. Jahrestag der Schuman-Erklärung,

– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die internen und externen Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist, und die neuen gesellschaftlichen und länderübergreifenden Herausforderungen, die zum Zeitpunkt der Annahme des Vertrags von Lissabon noch nicht vollständig absehbar waren, angegangen werden müssen; in der Erwägung, dass die Zahl der schwerwiegenden Krisen, die die Union durchlaufen hat, zeigt, dass in mehreren Bereichen der politischen Steuerung institutionelle und politische Reformen erforderlich sind;

B. in der Erwägung, dass die aktuelle COVID‑19-Krise zu einem sehr hohen Preis gezeigt hat, dass die EU noch immer ein unvollendetes Projekt ist und dass im Rahmen der Konferenz besser auf den Umstand, dass nicht für Solidarität und Koordinierung gesorgt wurde, wirtschaftliche, gesundheitliche und soziale Schocks und die anhaltenden Angriffe auf die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit eingegangen werden muss; in der Erwägung, dass die Europäische Union aufgrund der anhaltenden Krise daher noch dringender damit beginnen muss, darauf hinzuarbeiten, effektiver, demokratischer und bürgernäher zu werden;

C. in der Erwägung, dass das Parlament, die Kommission und der Rat alle erklärt haben, dass eine Konferenz zur Zukunft Europas organisiert werden sollte und dass der Prozess im Zusammenhang mit der Konferenz eine Gelegenheit dafür bieten sollte, die Unionsbürger eng in einen „Bottom-up“-Prozess einzubinden, in dessen Rahmen sie Gehör finden und einen Beitrag zu den Debatten über die Zukunft Europas leisten können;

D. in der Erwägung, dass die Konferenz ein offenes Forum für Diskussionen mit offenem Ergebnis zwischen den verschiedenen Teilnehmern bieten sollte; in der Erwägung, dass das Einvernehmen der drei Organe daher nur das Format und die Organisation der Konferenz betreffen sollte;

1. vertritt die Auffassung, dass es 10 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, 70 Jahre nach der Schuman-Erklärung und vor dem Hintergrund der COVID‑19-Pandemie an der Zeit für eine Neubewertung der Union ist; ist der Ansicht, dass die Konferenz aufgrund der COVID‑19-Krise noch dringender verwirklicht werden muss;

2. ist der Ansicht, dass die COVID‑19-Krise noch deutlicher gemacht hat, dass die Europäische Union reformiert werden muss, und gezeigt hat, dass es dringend einer effektiven und effizienten Union bedarf; ist daher der Auffassung, dass die bestehenden Aufbauinstrumente der EU und die bereits etablierte Solidarität bei dem Prozess im Zusammenhang mit der Konferenz berücksichtigt werden sollten und dass dabei für ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Entwicklung, sozialen Fortschritt, Sicherheit und Demokratie gesorgt werden sollte;

3. bekräftigt den Standpunkt, den es in seiner Entschließung vom 15. Januar 2020 dargelegt hat, in allen Belangen und fordert den Rat und die Kommission erneut auf, Verhandlungen zu führen, um vor der Sommerpause ein Einvernehmen über die Einrichtung der Konferenz zur Zukunft Europas zu erzielen;

4. bedauert, dass der Rat noch keinen Standpunkt zur Konferenz angenommen hat und fordert den Rat daher nachdrücklich auf, die Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und umgehend einen Standpunkt zum Format und zur Organisation der Konferenz vorzulegen;

5. begrüßt, dass die Kommission ihren Standpunkt zur Konferenz angenommen hat und bereit ist, rasch Fortschritte zu erzielen;

6. fordert den Rat nachdrücklich auf, bei seinem Mandat eine Verpflichtung für sinnvolle Folgemaßnahmen und die sinnvolle direkte Einbeziehung der Bürger zu berücksichtigen und beim Rahmen der Konferenz keine möglichen Ergebnisse – einschließlich Gesetzgebungsvorschlägen, selbst wenn dadurch Änderungen an den Verträgen angestoßen werden – auszuschließen;

7. betont, dass das unmittelbare Engagement von Bürgern, Organisationen der Zivilgesellschaft, Sozialpartnern und gewählten Vertretern bei der Konferenz trotz der Pandemie weiterhin Priorität haben muss; freut sich daher darauf, mit der Konferenz zu beginnen, um zusammen mit allen Unionsbürgern eine demokratischere, effektivere und widerstandsfähigere Union zu schaffen;

8. stellt fest, dass der Beginn der Konferenz wegen der Pandemie verschoben werden musste; weist jedoch darauf hin, dass einige Schwächen der Union durch die Pandemie hervorgehoben wurden; ist daher entschlossen, mit der Konferenz so bald wie möglich im Herbst 2020 zu beginnen;

9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

[1]        ABl. C 252 vom 18.7.2018, S. 215.

[2]        ABl. C 252 vom 18.7.2018, S. 201.

[3]        ABl. C 252 vom 18.7.2018, S. 235.

[4]        Angenommene Texte, P8_TA(2019)0098.

[5]        ABl. C 242 vom 10.7.2018, S. 24.

[6]        Angenommene Texte, P9_TA(2020)0010.

[7]        Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

[8]        Angenommene Texte, P9_TA(2020)0124.

https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0153_DE.pdf