Nach dem Brexit brauchen wir eine Debatte über die Zukunft der EU
Großbritannien hat am vergangenen Samstag die Europäische Union verlassen. Noch besteht in der Union Unklarheit darüber, wie es weitergehen soll. Verharren wir im Status Quo oder wollen wir die Union schlagkräftiger und demokratischer machen – auch damit sich ein Disaster wie der Brexit nicht wiederholt? Die Konferenz zur Zukunft der EU soll bereits am 9. Mai 2020 beginnen. Noch haben sich Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament aber nicht auf ein Design für den Reformprozess einigen können.
Blasse Worte von den drei Präsident*innen
Am vergangenen Freitag haben sich die drei Präsident*innen der EU-Institutionen zu ihren Zukunftsvisionen für die Union nach dem Brexit geäußert. Die erwartete Erklärung von Charles Michel (Europäischer Rat), David Sassoli (Parlament) und Ursula von der Leyen (Kommission) zur Konferenz Zukunft der EU blieb aber aus. Der geplante Reformprozess kam lediglich am Rande der Pressekonferenz zur Sprache. Einen mutigen Integrationsplan – wie einst vom Hausherrn des Tagungsorts, Jean Monnet, entworfen – blieben die drei Präsidenten bisher schuldig.
Keine halbherzigen Antworten für Europas Zukunft!
Mit dem Austritt der Briten aus der Staatengemeinschaft erwarten die Europäischen Bürgerinnen und Bürger aber Antworten auf die Fragen zur Zukunft der Union. Sie wollen wissen, wie die Arbeit an einem besseren Europa aussieht. Der Brexit hat gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn wir Europa nur halbherzig voranbringen und lediglich auf die Vorteile für Handel und Wirtschaft verweisen. Von den Präsidenten der Europäischen Institutionen erwarte ich mehr Einsatz für eine Europäische Identität und einen mutigen Aufbruch für die Zukunft. Eine ambitionierte Konferenz zur Zukunft Europas ist Europas beste Antwort auf den Brexit.
Verhandlungen beginnen, Bundesregierung gefordert
In den kommenden Tagen beginnen in Brüssel die Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat zur genauen Ausgestaltung der Konferenz. Das Europäisches Parlament hat bislang den ambitioniertesten Vorschlag vorgelegt. Kommission und Rat zeigten sich bislang nicht sehr motiviert, die Europäischen Bürger*innen so einzubeziehen, dass deren Handschrift im Ergebnis erkennbar sein wird. Auch scheuen sie sich davor, die Europäischen Verträge aufzuschnüren. Wenn wir es aber wirklich ernst meinen mit der Zukunft der Europäischen Union, dann brauchen wir eine politische Konferenz, die sich auch den Grundsatzfragen widmet. Ich werde mich daher weiter für Bürgerversammlungen einsetzen – und dafür das Spitzenkandidat*innen Prinzip zu stärken und transnationale Listen einzuführen. Auch Vertragsänderungen dürfen kein Tabu sein. Dieses Signal sind wir den Bürger*innen nach dem Brexit schuldig. Gleichzeitig erwarte ich auch von der deutschen Bundesregierung mehr Einsatz und klare Signale, dass sie die Europäische Zukunft mitgestalten will.
Es zeichnet sich ab dass Renew und die EVP Guy Verhofstadt und Manfred Weber in die Verhandlungen schicken werden. Für die Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament wurde ich als Vertreter gewählt.
Offener Brief aus der Wissenschaft
Handlungsbedarf bei der Konferenz Zukunft der EU sehen auch mehr als 100 Europäische Wissenschaftler*innen. In einem offenen Brief – unter anderem unterzeichnet von Michael Zürn, Ulrike Guerot und Alberto Alemanno – fordern sie die politische Führung der EU und der Mitgliedstaaten auf, Bürger*innen am Reformprozess zu beteiligen und sich möglichen Änderungen am Gefüge der Europäischen Institutionen nicht zu verschließen.
Hier geht es zum Offenen Brief: