Aachener Vertrag bleibt hinter Erwartungen zurück
Natürlich freue ich mich, dass Deutschland und Frankreich in meiner Heimatstadt ihr Freundschaftsversprechen erneuern. Die Initiativen zur engeren Zusammenarbeit in vielen Bereichen sind richtig. Aber sie gehen nicht weit genug. Wir brauchen mehr Ambitionen in den deutsch-französischen Beziehungen. Der Aachener Vertrag kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bundesregierung die EU Reformagenda des französischen Präsidenten komplett sabotiert hat. Eine vertane Chance vier Monate vor der Europawahl.
Der vorliegende Vertragstext schreibt vieles auf, was in der Praxis längst Gang und Gäbe ist, wie zum Beispiel eine enge Absprache vor EU Gipfeln. In Zeiten des bevorstehenden Brexits, in Zeiten in denen in Österreich und Italien populistische und Europa-kritische Regierungen an der Macht sind, reichen solche kleinen Schritte nicht aus.
Die Krisen der letzten Jahre haben deutlich gezeigt, dass wir immer dort Probleme bekommen, wo die europäische Integration nur halb fertig ist. Wir haben mit Schengen die Reisefreiheit geschafften, aber keine gemeinsame Einwanderungs- oder Asylpolitik. Wir haben mit dem Euro eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Wirtschafts- und Steuerpolitik.
Macron hat deshalb weitreichende Vorschläge gemacht, die Europäische Union weiterzuentwickeln und die Integration voranzutreiben. Er hat damit fulminant die französische Präsidentschaftswahl gewonnen.
Macron hat klar erkannt: kein Land in Europa kann die großen Probleme unserer Zeit alleine lösen: Klimawandel, Konzerne, die keine Steuern zahlen, der Umgang mit der Digitalisierung. Eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union ist deshalb absolut notwendig. Leider kann der Aachener Vertrag nicht darüber hinwegtäuschen, dass es aus Berlin auch anderthalb Jahre nach Macrons Amtsantritt keine adäquate Reaktion auf seine Reformvorschläge gibt.
Vor 56 Jahren haben Deutschland und Frankreich einen Freundschaftsvertrag unterschrieben, der auch mein eigenes Leben stark geprägt hat. Der Elysée Vertrag hat es mir ermöglicht am Schüleraustausch mit Aachens Partnerstadt Metz teilzunehmen. Ich bin später noch ein ganzes Jahr in Frankreich zur Schule gegangen und habe in einer Gastfamilie gewohnt. Dann habe ich in Paris studiert und dort angefangen zu arbeiten. Das alles war nur so einfach möglich, da wir dank der europäischen Einigung keine Grenzen mehr haben, keine Aufenthaltsgenehmigungen brauchen und sogar mit dem gleichen Geld bezahlen können.
Der vorliegende Nachfolgevertrag bleibt weit hinter den Ambitionen von Adenauer und De Gaulle zurück. Wenn wir sichergehen wollen, dass euroskeptische und populistische Regierungen nicht noch in viel mehr Ländern in Europa an die Macht kommen, dann müssen wir schleunigst anfangen auf die Reformvorschläge von Macron einzugehen. Das tut der Aachener Vertrag leider überhaupt nicht.