Trump zerlegt die Zivilgesellschaft: Fünf Dinge, die mir trotzdem Hoffnung machen
Ich war in den vergangenen Tagen erst in Washington D.C., dann im kanadischen Ottawa. Meine Gespräche mit Menschenrechtler*innen, Korruptionsjäger*innen und Beamt*innen in der US-Hauptstadt waren ernüchternd. Es fehlt an Zuversicht. Jeder Tag bringt neue Tiefschläge:
Der US-Präsident und seine Familie bereichern sich schamlos durch Geschäfte mit Crypto-Währung. Im ersten Halbjahr 2025 flossen mehr als 800 Millionen Dollar auf die Konten der Trump Organisation. Interessierte können sich so unkontrolliert bei Trump Gehör und Gefallen erkaufen. Trump reißt zudem Teile des Weißen Hauses ab und lässt einen Ballsaal errichten – finanziert aus “Spenden” von Konzernen wie T.Mobile. Vertreter*innen der Abschiebebehörde ICE zerren währenddessen täglich Menschen aus ihren Autos und Wohnungen. Und Parlament und Regierung arbeiten nicht, weil sich Demokraten und Republikaner nicht auf ein Budget einigen können. Es handelt sich um den längsten “Shut Down” der US-Geschichte. Mittlerweile werden erste Staatsangestellte, deren Löhne nicht mehr gezahlt werden, mit Lebensmittelspenden versorgt.
ABER: Die US-Amerikanische Zivilgesellschaft verharrt nicht in Schockstarre. Es gibt Hoffnungsschimmer. Hier sind fünf Dinge, die mir in Erinnerung geblieben sind:
1. Studienreisen nach Ost-Europa: US-NGOs schicken Delegationen nach Polen und Ungarn, um dort von Aktivist*innen zu lernen, wie man mit autoritären Systemen umgeht.
2. Trump gehen die Anwälte aus: Die besten Staatsanwälte verweigern dem US-Präsidenten den Dienst, treten zurück oder werden gefeuert. Die Verbliebenen lügen vor Gericht und verlieren ihre Zulassung, oder machen beim Einreichen von Klagen formelle Fehler.
3. Keine Lust auf Könige: Millionen von Menschen demonstrieren unter dem Slogan “No Kings” gegen Trumps Regime. Die friedlichen Proteste finden landesweit in tausenden von Städten statt.
4. Unwahrscheinliche Freundschaften: Statt nur entrüstete Briefe zu schicken, handeln zivilgesellschaftliche Organisationen heute strategischer. Sie suchen nach konservativen Mitstreitenden (z.B. Handelskammern, Polizeibehörden, abtrünnigen Republikaner*innen), um Gesetze zu schützen.
5. Demokraten gegen Trump: Einige Politiker*innen der Demokraten fahren entschlossene Anti-Trump-Kampagnen. Von Gavin Newsom in Kalifornien bis Zohran Mamdani in New York.
Wer mehr als fünf Funken Hoffnung braucht, muss ins Nachbarland reisen. In Kanada werden Gesetze erlassen und umgesetzt, von denen auch wir in der EU nur träumen können. Das Land ist weltweit führend in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Lobby-Transparenz. Ein unabhängiger Kommissar kümmert sich allein um Interessenskonflikte. Alle gewählten Amtsträger inklusive Ehepartner*innen müssen ihm gegenüber ihre Finanzen deklarieren. Verstöße gegen die Regeln werden öffentlich gemacht.
Auch die Einflussnahme von Unternehmen wird in Schach gehalten: Lobbyisten müssen sich registrieren und alle Treffen mit Abgeordneten protokollieren. Sie dürfen Abgeordneten keine Geschenke machen, die mehr als 25 € wert sind. Das reicht für einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Ein Abendessen ist schon nicht mehr drin. Auch keine Reisen. Kanadas aktuelle Kommissarin für Lobbying will die Regeln demnächst noch weiter verschärfen. Man muss sich Nancy Belanger als eine sehr glückliche Frau vorstellen.